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UNGARN

Für das Special dieser Ausgabe hat die Redaktion von „Ethik und Militär“ Expertinnen und Experten aus verschiedenen Staaten einen sechs Punkte umfassenden Fragenkatalog zum Thema Militärethik und Ethikunterricht in ihren jeweiligen Streitkräften vorgelegt. Diese Seiten erheben keinen Anspruch auf Repräsentativität, sondern sollen weiteres Anschauungsmaterial für die Frage nach einem ge­­meinsamen europäischen Ansatz auf diesem Gebiet liefern. 

Was verstehen Sie bzw. was versteht man in Ihrem Land hauptsächlich unter Militärethik? Womit befasst sie sich im Wesentlichen, und was ist ihre Hauptaufgabe?

Die Militärethik lehrt Werte der nationalen Militärgeschichte, um die Liebe zum eigenen Land und die Integration der nationalen Streitkräfte zu stärken. Mithilfe der übergeordneten Prinzipien der Gerechtigkeit soll die universelle militärische Professionalität sowie das Zusammenwirken von Streitkräften und Zivilgesellschaft gefördert werden.

Gibt es in Ihrem Land eine öffentliche Debatte zu damit zusammenhängenden Fragen? Wenn ja, zu welchen?

Nein, eher nicht.

Sehen Sie beim Verständnis von bzw. konkreten Fragen der Militärethik Gemeinsamkeiten in den EU-Mitgliedstaaten und anderen europäischen Ländern? Wenn ja, worin bestehen diese?

Diese Frage ist nicht leicht zu beantworten. Jeder europäische Staat hat seine eigene Tradition, die auf die eigenen Herrschaftsstrukturen und die eigene Geschichte zurückgeht. Doch Gerechtigkeitsprinzipien sind tatsächlich gemeinsame Werte nationaler europäischer Streitkräfte und verbinden auch ihre Berufssoldaten.

Hat der russische Angriff auf die Ukraine Ihrer Meinung nach eine deutliche Veränderung in dieser Hinsicht bewirkt?

Nein, ich denke, das ist nicht der Fall. Dieser Krieg findet zwar in größerer Nähe statt – aber er ist und bleibt ein Krieg, in dem Gerechtigkeitsprinzipien mehrfach und mutmaßlich auf beiden Seiten gebrochen werden (wie in jedem anderen Krieg auch). Ein weiteres Problem ist, dass sich die russische Auffassung von Krieg und damit zusammenhängen Themen (oder zumindest eine der bedeutenden russischen Denkschulen) von der europäischen doch sehr zu unterscheiden scheint.

In welchem Umfang und für wen sind Ethik und Militärethik Teil der militärischen Ausbildung? Durch wen wird unterrichtet?

Ich (Zivilist) und einer meiner Kollegen (Soldat, ehemaliger Militärseelsorger) geben die Kurse für angehende Offiziere (BSc), Mitglieder der Generalstabsakademie und Doktoranden.

Was sind Ihrer Meinung nach die wichtigsten Fragen bzw. dringlichsten Probleme der Gegenwart, mit denen sich die Militärethik auseinandersetzen sollte?

Die Militärethik soll die Liebe der Soldatinnen und Soldaten zu ihrem Land und ihre berufliche Autonomie (im Denken und Handeln) auf der Grundlage der Gerechtigkeitsprinzipien (Theorie des gerechten Krieges) stärken. Andere Probleme haben eine untergeordnete Bedeutung. Aber natürlich müssen wir auf dem neuesten Stand sein. In beiden Fällen ist das wesentliche Ziel, die Kampffähigkeit der Berufsarmee zu verbessern (und nicht zu mindern).

Mihály Boda

Dr. Mihály Boda, Universität für den öffentlichen Dienst Budapest, Fakultät für Militärwissenschaften und Offiziersausbildung


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Alle Artikel dieser Ausgabe

Militärethik und militärische Ethikausbildung: Auf der Suche nach einem „europäischen Ansatz“
Lonneke Peperkamp, Kevin van Loon, Deane-Peter Baker, David Evered
Gerechter Frieden trotz Krieg? Zur Verteidigung eines in die Kritik geratenen Konzepts
Markus Thurau
Die russische Invasion der Ukraine: Keine Spur von konventioneller Extremgewalt
Arseniy Kumankov
Ethische Bildung in den Streitkräften – Überbrückung oder Vertiefung der Kluft?
Dragan Stanar
Die Rücktransformation soldatischer Identitäten
Patrick Hofstetter
Krieger sind in der Armee fehl am Platz
Christopher Ankersen
„Versuchen Sie, den Unterricht emotionaler zu gestalten“
Deanna Messervey

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