Kontroversen in Militärethik und Sicherheitspolitik
„Erhaltung des Friedens“: Die Logik der Abschreckung und die Sprache der militärischen Leistungsfähigkeit
„Je stärker die Sicherung, desto geringer ist der Anreiz für die Sowjetunion zu einer aggressiven Politik und desto sicherer die Erhaltung des Friedens.“
Militärischer Expertenausschuss zur Aufstellung eines Deutschen Kontingents im Rahmen einer übernationalen Streitmacht zur Verteidigung Westeuropas („Himmeroder Denkschrift“, Himmerod, 9. Oktober 1950), Hervorhebung im Original.
„Im übrigen lehrt die Geschichte, daß auch militärische Schwäche zu Kriegen führen kann, weil sie den Angriff eines Friedensstörers geradezu herausfordert.“
Vom künftigen deutschen Soldaten: Gedanken und Planungen der Dienststelle Blank, Bonn 1955, S. 10.
Einführung: Krieg in Europa und der Zustand der Bundeswehr
Aufgrund der massiven Erschütterung der europäischen Nachkriegsordnung[1] durch den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine und den offensichtlichen Versuch darin, die demokratisch gewählte Regierung in Kiew zu stürzen, wurde der Zustand der Bundeswehr zum Politikum gemacht und eine sehr ernsthafte „Was-wäre-wenn-Frage“ gestellt: Wäre die Bundeswehr in der Lage, auf einen solchen Angriff auf das NATO-Bündnis (zum Beispiel im Baltikum) zu reagieren oder sogar die eigenen Grenzen zu sichern? Ist sie tatsächlich „kriegstüchtig“ hinsichtlich der Landes- und Bündnisverteidigung? Nach längerer Zeit mit dem Fokus auf die Aufgaben als Friedensarmee sowie als Einsatzarmee im Ausland ist die Bundeswehr wieder zur Kernaufgabe der Landes- und Bündnisverteidigung gerufen worden. In Kanzler Olaf Scholz’ (SPD) Regierungserklärung am 27. Februar 2022 (drei Tage nach der Invasion am 24. Februar), in der er auch die Verteidigungsfähigkeit und den Verteidigungswillen thematisierte, hat er den Begriff „Zeitenwende“ für die neue Situation gewählt. Es müsse verhindert werden, „dass Putins Krieg auf andere Länder in Europa übergreift“. Zugleich hob er hervor: „Ohne Wenn und Aber stehen wir zu unser Beistandspflicht in der NATO.“ Scholz zufolge sollte Putin „unsere Entschlossenheit nicht unterschätzen, gemeinsam mit unseren Alliierten jeden Quadratmeter des Bündnisgebietes zu verteidigen.“ Er betonte wiederholt die Entschlossenheit zur Verteidigung: „Mit der Aufnahme eines Landes in die NATO ist unser Wille als Bündnispartner verbunden, dieses Land zu verteidigen, und zwar so wie uns selbst.“ Außerdem hielt er daran fest, dass „die Bundeswehr neue, starke Fähigkeiten“ braucht. Das Ziel sei „eine leistungsfähige, hochmoderne, fortschrittliche Bundeswehr“.[2] Mit dieser Aussage knüpfte er an eine bestehende Tradition an, da „Leistungsfähigkeit“ auch ein zentraler Begriff im Weißbuch 2016 zur Sicherheitspolitik Deutschlands und zur Zukunft der Bundeswehr ist. Im Verlauf des Kriegs wurde dann eine ähnliche, jedoch noch stärkere Semantik verwendet, zum Beispiel in der Rede des Generalinspekteurs der Bundeswehr, General Carsten Breuer, am 13. Juli 2023 in Berlin:
„Wir müssen Landesverteidigung und Bündnisverteidigung neu denken. Wir müssen langfristig die Rolle und die Aufgaben der Bundeswehr in einer multipolaren Welt neu denken. Kurz: der Zeitenwende die Gedankenwende folgen lassen. Alle Strukturen und Prozesse müssen dem übergeordneten Ziel der Wehrhaftigkeit und, für den Fall der Streitkräfte, der Kriegstüchtigkeit dienen. Wichtig ist, dass wir dabei ein hohes Maß an Flexibilität und Agilität für die Bundeswehr der Zukunft erreichen.“[3]
Diese Impulse sind auch in den öffentlichen Stellungnahmen des Verteidigungsministers Boris Pistorius (SPD) erkennbar, sowie in seinem Ruf am 29. Oktober 2023 nach einer „kriegstüchtigen“ Bundeswehr: „Wir müssen uns wieder an den Gedanken gewöhnen, dass die Gefahr eines Krieges in Europa drohen könnte. Und das heißt: Wir müssen kriegstüchtig werden, wir müssen wehrhaft sein und die Bundeswehr und die Gesellschaft dafür aufstellen.“[4] In den im November 2023 veröffentlichten Verteidigungspolitischen Richtlinien 2023 des Bundesministeriums der Verteidigung nimmt der Begriff eine zentrale Stelle ein: „Unsere Wehrhaftigkeit erfordert eine kriegstüchtige Bundeswehr.“[5] Die Dringlichkeit der neuen Situation ist auch hier ganz eindeutig zu erkennen: „Die Bundeswehr ist ein Kerninstrument unserer Wehrhaftigkeit gegen militärische Bedrohungen. Hierzu muss sie in allen Bereichen kriegstüchtig sein.“[6] Auch die Abschreckungsdoktrin wird thematisiert: „Abschreckungsfähigkeit, Kriegstüchtigkeit sowie Wirksamkeit im Einsatz sind der Anspruch an eine zukunftsfähige, voll ausgestattete sowie dauerhaft und jederzeit einsatz- und kampfbereite Bundeswehr.“[7] Unter den Elementen „des gemeinsamen Selbstverständnisses von Wehrhaftigkeit“ wird auch „Kriegstüchtigkeit als Handlungsmaxime“ genannt und Bezug auf die Begrifflichkeit des Soldateneides und die Innere Führung genommen: „Soldatinnen und Soldaten, die den Willen haben, unter bewusster Inkaufnahme der Gefahr für Leib und Leben das Recht und die Freiheit des deutschen Volkes tapfer zu verteidigen.“[8]Obwohl es vielleicht selbstverständlich erscheinen könnte, dass die Eigenschaft „Kriegstüchtigkeit“ mit der Organisation „Militär“ inhärent verbunden ist, ja sogar als eine notwendige Bedingung des Begriffs zu verstehen ist, steht der Begriff im gewissen Spannungsverhältnis zu dem Paradigma des Friedens. Ein markantes Beispiel dafür ist die Aussage „Der Frieden ist der Ernstfall“ vom Bundespräsidenten Gustav Heinemann in seiner Antrittsrede vom 1. Juli 1969. Laut dem Taschenbuch für Wehrfragen 1974/75 sollte der Soldat dementsprechend „wünschen“, dass es niemals zum Krieg kommt.[9] Das Spannungsverhältnis kann aber auch überbetont werden, da die ursprüngliche Verwendung des Begriffs „Kriegstüchtigkeit“ in den Anfängen der neuen deutschen Streitkräfte in den 1950er-Jahren aus diesem Friedensparadigma hervorgegangen ist – und zwar von dem progressiven Vertreter einer modernen, reformorientierten und nach Frieden strebenden Bundeswehr: Wolf Graf von Baudissin.
Die öffentliche Debatte, die nach den Äußerungen des Verteidigungsministers in der jüngsten Vergangenheit folgte und noch geführt wird – eine Debatte, die auch mit der Debatte hinsichtlich deutscher Waffenlieferung an die Ukraine zusammenhängt –, kann hier nicht ausführlich rekonstruiert werden. Zusammenfassend lässt sich jedoch feststellen, dass die „Zeitenwende“ ganz unterschiedlich verstanden worden ist, genau wie der Begriff „Kriegstüchtigkeit“.[10] Im Folgenden werden dessen unterschiedliche Dimensionen im historischen Kontext und vor allem mit Blick auf die friedenserhaltende und verteidigungstheoretische Verwendung analysiert. Dabei werden auch die damit zusammenhängenden ethischen Spannungsverhältnisse multiperspektivisch dargestellt. Wichtig in dieser Analyse sind zudem die theoretischen Zugänge und Denkweisen des führenden Denkers der Inneren Führung, Wolf Graf von Baudissin, der den Begriff in einer modernen Flexion mit Blick auf das neue deutsche Militär der Nachkriegszeit geprägt hat.[11]
In der Planung eines „Deutschen Kontingents im Rahmen einer übernationalen Streitmacht zur Verteidigung Westeuropas“ in den frühen 1950er-Jahren (das später zur Bundeswehr geworden ist) und vor allem bei der theoretischen Gestaltung des „inneren Gefüges“ setzte sich Baudissin stark dafür ein, dass die Soldaten nicht nur exzellent in der Beherrschung der Aufgaben des Militärs sein sollten, sondern auch treue Staatsbürger bleiben sollten: „Staatsbürger in Uniform“. Das heißt, dass sie aus innerer Überzeugung heraus für die freiheitliche Demokratie und für das Grundgesetz der neuen Republik mit dem Primat der Menschenwürde dienen sollten. Für Baudissin bedeutete diese Konzeption des neuen Militärs auch, dass die freiheitlich-demokratische Grundordnung im inneren Leben des Militärs in unterschiedlichen Weisen und Situationen erfahren und praktiziert werden musste. Daraus sollte aber keinesfalls eine Schwächung der Handlungsfähigkeit des Militärs erfolgen. Aus heutiger Perspektive ist es weder nötig noch dienlich, die alte Debatte zwischen den „Reformern“ (wie Baudissin) und „Traditionalisten“ (wie Heinz Karst) so zu führen, als ob wir noch in den 1950er- und 1960er-Jahren leben würden. Auch die Selbstpositionierungen der damaligen Zeit, die oft als radikale Alternativen konzipiert und bewusst kommuniziert worden sind, müssen kritisch geprüft werden.[12]Es ist zwar nötig, diese historische Debatte zu verstehen; wir müssen sie allerdings mit einer historischen Distanz betrachten. Wir leben in einer anderen Welt und die gegenwärtige Situation bringt neue Dimensionen und Probleme ins Spiel, die die Protagonisten damals weder kennen noch voraussetzen konnten. Das Gute aus der Tradition ist für die Zukunft aufzunehmen und fortzuentwickeln, ohne in alte Grabenkämpfe zu verfallen.
Etymologie und semantisches Feld
„Tüchtig“ ist ein alter Ausdruck im Deutschen, der auch in anderen Sprachen wie im Englischen zu finden ist. Im Teutsch-englischen Lexicon aus dem 18. Jahrhundert wird die folgende Übersetzung angeboten: „Tüchtig, tauglich, bequem, qualifiziert oder geschickt seyn etwas zu verrichten, to be able, fit, good, able or qualified, for some business. Ein tüchtiger Mensch, an able man.“[13]Obwohl der etwas veraltete Begriff oft in diesem bewertenden Sinn der Tugendhaftigkeit verwendet wird, stammt er nicht von „Tugend“ ab. Der Begriff „Tugend“ bezeichnet vor allem (aber nicht ausschließlich) die klassischen Kardinaltugenden der Weisheit, Besonnenheit, Gerechtigkeit und Tapferkeit sowie die christlichen Tugenden Glaube, Hoffnung und Liebe. Tugenden sind moralische Charakterideale des Menschseins; Tüchtigkeit hingegen ist rein formal eine hohe Qualitätsabstufung im Bereich der Zweckmäßigkeit und Funktionalität („etwas zu verrichten“). Aus dieser hohen Bewertung wird assoziativ eine eigene Qualität abgeleitet, die man dann verständlicherweise mit Tugendhaftigkeit verbindet. Eigentlich stammt das Adjektiv „tüchtig“ mit seinem ti-Abstraktum vom dem Alltagsverb „taugen“ ab. Der Begriff „Tugend“ (Latein: „virtus“; hervorragende Charaktereigenschaft) stammt vom gleichen Verb „taugen“ ab – aber in einem anderen v.a. moralischen Sinne und mit einem anderen Gebrauch. Ähnlich wie ἀρετή (arete, Exzellenz, Vortrefflichkeit, Tugend [z. B. Phil. 4,8], Tüchtigkeit) und virtus („eig[entlich] die Mannheit, d.i. alles, was den Mann in körperlicher u[nd] geistiger Hinsicht ziert u[nd] adelt […] Tüchtigkeit, Tauglichkeit, Vorzüglichkeit, Tugend, die tüchtigen Eigenschaften, Vorzüge, Verdienste“[14]) wird „tüchtig“ dann verwendet, wenn die Qualität einer Funktion oder Fähigkeit positiv bewertet wird, im Sinne der funktionalen Vortrefflichkeit – nicht zunächst ideal „gut“ im Sinne einer abstrakten metaphysischen Kategorie des bonum, sondern in der Welt der Zweckmäßigkeit für einen bestimmten Zweck bzw. Ziel nützlich und gut zu sein, entsprechend der besonderen Tauglichkeit bzw. Eignung. „Tüchtig“ kann aber auch in der Verwendung „entzwecklicht“ werden, wie im Sinne der Phrase „der tüchtige Mensch“, und dabei gänzlich verallgemeinert und aus dem Bereich der Zweckmäßigkeit gehoben werden. In dieser Verwendung wird der Begriff in einem idealen Sinne als Konzeption für tugendhafte Vortrefflichkeit einer Person eigenständig und deskriptiv verwendet. In der Antike wurden arete und virtus in dieser Weise oft verwendet, vor allem in der Beschreibung der aristokratischen Idealität des Adels sowie für den Krieger oder Athleten. Der englische Kognat des Adjektivs „tüchtig“ ist das veraltete „doughty“, wobei das semantische Feld im Englischen etwas breiter ist, und üblicherweise „proficient“, „capable“, „able“ oder ähnlichen Wörter verwendet werden, um das zu identifizieren, was man üblicherweise mit „tüchtig“ im Deutschen identifiziert. In der modernen deutschen Sprache kann man „Tüchtigkeit“ im übertragenen Sinne mit „besondere Leistungsfähigkeit“, besondere „Qualität“ bzw. besondere Tauglichkeit definieren, hier auch wiederum mit einer bestimmten Aufgabe, mit einem bestimmten Zweck oder mit einer bestimmten Funktion im Blick. Wer „tüchtig“ ist (nun im funktionalen Sinne), ist also nicht nur „tauglich“ für eine Aufgabe, sondern auch besonders „geschickt, erfahren, fleißig, gut“ in einer bestimmten Aufgabe oder Fähigkeit.[15]
Der Begriff „tüchtig“ ist im Deutschen allerdings aus verschiedenen Gründen negativ belastet, unter anderem weil Charles Darwins zentrales evolutionsbiologische Konzept „the survival of the fittest“ (eigentlich „das Überleben der Anpassungsfähigsten“) mit der Phrase „Der Tüchtigste überlebt“ übersetzt worden ist. Das Konzept spielte eine zentrale Rolle in der die Menschenwürde verachtenden Eugenik und in der Ideologie des Nationalsozialismus. Diejenigen aus der deutschen „defense community“ der Gegenwart, die den Begriff „Kriegstüchtigkeit“ oder „kriegstüchtig“ verwenden, wollen keinesfalls in dieser Tradition stehen, und lehnen mit aller Stringenz diese Ideologie und die gesamte Weltanschauung des Nationalsozialismus konsequent ab. Sie verwenden den Begriff, weil sie genau das verteidigen wollen, was der Nationalsozialismus zerstörte und missachtete: Freiheit, Demokratie, Menschenrechte und Menschenwürde.
„Es bedarf nicht der Erwähnung, daß kein denkender Mensch, am wenigsten der Soldat, einen Krieg wünschen kann.“ (Heinz Karst)[16]Es ist auch verständlich, dass der Begriff „Kriegstüchtigkeit“ umstritten ist. Die Moralität der historisch gewordenen und sehr besonderen intellektuellen aufgeklärten Tradition, in der wir stehen und denken, will selbstverständlich Frieden. Wir wollen, dass Kriege aus unserer Gegenwart und Zukunft verschwinden. Wir wollen nicht mehr von Krieg hören und auch nicht mehr davon sprechen, weder vom „gerechten“ noch vom „ungerechten“ Krieg.[17] Viele waren guter Hoffnung, dass konventionelle Kriege zwischen großen Staaten eher eine Sache der Geschichte seien.[18] Leider müssen wir aber ehrlicherweise zur Kenntnis nehmen, dass die Welt nicht allein von diesen sehr guten Wünschen bestimmt wird, sondern auch von alten Vorstellungen der Eroberung und Herrschaft. Dieses Paradox ist von Friedrich Merz zutreffend beschrieben worden:
„[…] für einen Staat ist bedingungsloser Pazifismus und Gewaltlosigkeit keine verantwortungsvolle Position. Denn in der Welt ist Gewalt Realität und Realität sind Versuche, mit Gewalt die Friedensprojekte und die Freiheitsprojekte zu zerstören, die zum Glück genauso Realität sind, und die uns an das Gute im Menschen glauben lassen können. […] Wir dürfen nicht naiv sein. Friedfertigkeit allein oder gar Beschwichtigungspolitik sind der falsche Ansatz gegenüber einem Regime, das auf militärische Eroberungen aus ist, das nachweislich imperiale Ideen über Menschenleben und Menschenwürde stellt.“[19]
Natürlich wäre es möglich gewesen, statt „Kriegstüchtigkeit“ einen anderen Begriff wie „Verteidigungsfähigkeit“ zu verwenden. Jedoch bedeutet Verteidigungsfähigkeit (ein übergeordneter Begriff ähnelnd der allgemeinen Staatslehre) etwas anderes als Kriegstüchtigkeit (ein militärischer Begriff). In dem Moment, in dem ein Aggressor in das Territorium eines anderen freien Landes einmarschiert und es teilweise oder gänzlich besetzt, geht die Handlung des Militärs (nach dem Auftrag der politischen Führung) im sich selbst verteidigenden Land zum aktiven Verteidigungskrieg über. Diese Handlung beinhaltet sowohl defensiven „Abwehrkampf“ als auch offensive „Zurückdrängung“. Es geht nicht um Geländegewinne, sondern um die Befreiung verlorenen Territoriums, das gemäß Völkerrecht dem sich selbst verteidigenden Land gehört. Die Beschreibung der angestrebten nicht nur „guten“, sondern „sehr guten“, ja „exzellenten“ Beherrschung dieser defensiven und offensiven Aufgabe jedes Militärs kann natürlich mit anderen Begriffen, Phrasen und Sätzen gut ausgedrückt werden. Der Begriff „Kriegstüchtigkeit“ ist allerdings eine sehr präzise Formulierung des Konzepts, weshalb Baudissin ihn wahrscheinlich gewählt hat. Seine Verwendung ändert nichts an der Tatsache, dass ungerechte militärische Gewalt ein Übel ist. Nicht aus dem Wunsch, Krieg zu führen, sondern aus der Logik der Kriegsverhütung und aus der Verpflichtung zum Schutz des Lebens ist die soldatische Einübung in diese für unsere Welt leider immer noch notwendige Fähigkeit ethisch vertretbar.
Wenn man das semantische Feld des Begriffs „Kriegstüchtigkeit“ im heutigen Diskurs analysiert, kommt man auf eine Vielzahl von sehr unterschiedlichen Zugängen des Gebrauchs. Dazu gehört die subjektive Dimension bezüglich der inneren Haltung („Mindset“) und des Willens, sowie im Bereich Wissen und Praxis, Fragen nach Kenntnis, Fähigkeit, Strategie, Taktik und Organisation. Dazu kommen auch die zwischenmenschlichen Dimensionen, wie Personal und Gruppendynamik, Hierarchie und innere Ordnung des Militärs, Teamgeist und Zusammenwirken bzw. Synergie. Auch objektive Dimensionen sind zu beachten, wie Ausrüstung, Finanzierung, Beschaffung, Logistik, Einsatz und Nachschub. Nicht zuletzt gibt es die Dimensionen der Ethik, des Rechts und der Zweckmäßigkeit: Zweck und Selbstzweck. „Kriegstüchtigkeit“ kann, ethisch betrachtet, kein Selbstzweck sein und muss in einem größeren ethischen Zusammenhang gedacht werden. Die Konzeption dient einer höheren ethischen Ordnung bzw. einem höheren ethischen Prinzip, nämlich „Kriegsverhütung“, Konfliktentschleunigung und -begrenzung, Friedenssicherung, Grenzsicherung, Bündnistreue, dem grundgesetzlichen Verteidigungsauftrag (Art. 87 a), Schutz und Erhaltung des Lebens und so weiter. Auch als Spieltheorie und Paradox kann der Begriff verstanden werden: Kriegstüchtigkeit ist ein Spiel der Logik („kämpfen können, um nicht kämpfen zu müssen“) und zugleich ein Paradox: um Frieden zu sichern, ist Stärke nötig, da die freie demokratische Welt mit immer stärker werdenden Kräften umgehen muss, die nicht nur ambivalent gegenüber Menschenwürde, Recht, Völkerrecht, Meinungs-, Rede- und Pressefreiheit, Gewaltenteilung und Demokratie sind, sondern auch aktiv gegen diese Prinzipien und Grundwerte der freiheitlichen Demokratie vorgehen oder zur Erosion der Gleichen beitragen. Im Hintergrund und als Voraussetzung des gesamten gegenwärtigen Diskurses steht das Grundgesetz.
Grundgesetz Art. 87 a – „Der Bund stellt Streitkräfte zur Verteidigung auf.“[20]
Wie Heinrich Amadeus Wolff in dem Handkommentar zum Art. 87a des Grundgesetzes schreibt: „Verteidigung ist systematisch zunächst einmal die Abwehr der militärischen Gefahr im Verteidigungsfall […]. Liegt ein solcher vor, sollen die Streitkräfte die äußere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland garantieren und deren polit[ischen] Handlungsfreiheit gewährleisten […].“[21] Der Verteidigungsbegriff erfasst „außer der Landesverteidigung im herkömmlichen Sinne auch die Bündnis(selbst)verteidigung im Rahmen der NATO sowie die individuelle und kollektive Selbstverteidigung nach Art. 51 der UN-Charta […].“[22] Die Sicherung der Funktionsfähigkeit des Militärs kommt hier zum Tragen: „Welche Maßnahmen im Einzelnen zur Sicherung einer funktionsfähigen Verteidigung notwendig sind […], haben der Gesetzgeber und die anderen für das Verteidigungswesen zuständigen Bundesorgane in eigener Verantwortung nach weitgehend polit[ischen] Erwägungen zu bestimmen […].“[23] In diesem Zusammenhang werden auch die Ausstattung, „Funktionsfähigkeit“[24] sowie die Einsatztauglichkeit und das innere Gefüge thematisiert: „Unverzichtbar aber ist, das innere Gefüge der Streitkräfte so zu ordnen und sie personell und materiell so auszustatten, dass sie ihren von der Verfassung gewollten militärischen Aufgaben mit gut ausgebildetem Personal und einsatztauglicher Ausrüstung gewachsen sind […].“[25] Mit Verweis auf Art. 24 des Grundgesetzes hebt Wolff hervor, dass die Bundeswehr auch im Ausland eingesetzt werden darf. Art. 24 II bietet „die verfassungsrechtl[iche] Grundlage für die […] Verwendung der Bundeswehr zu Auslandseinsätzen, die im Rahmen und nach den Regeln eines von der Bundesrepublik Deutschland als Mitglied mitgetragenen Systems gegenseitiger kollektiver Sicherheit stattfinden. […] Die NATO und die UN bilden jeweils ein solches System […].“[26]Für den „konkreten Einsatz“ ist „die Zustimmung des Bundestages erforderlich.“[27]
Als Parlamentsheer – und als eine Armee, die in einer bestehenden Demokratie in den 1950er-Jahren aufgebaut worden ist – ist die Bundeswehr in besonderer Weise dem Grundgesetz, dem Bundestag und dem darin vertretenen (ethnisch pluralen) deutschen Volk verpflichtet. Gleichzeitig ist die Bundeswehr europäisch und international (im Verteidigungsbündnis der NATO) eingebettet. Wie Theodor Blank in seinem Vorwort zur Schrift Vom künftigen deutschen Soldaten: Gedanken und Planungen der Dienststelle Blank von 1955 betont: „Deutsche Streitkräfte werden gemeinsam mit Soldaten der verbündeten freien Welt die friedliche soziale Entwicklung unseres Volkes und seine Freiheit ebenso schützen wie die Europas.“[28] Unter anderem hob er damals auch hervor, dass „eine demokratische Wehrordnung nur Wirklichkeit werden kann, wenn alle Staatsbürger an ihr mitverantwortlich Anteil nehmen, sich zu ihren Soldaten bekennen und Gerechtigkeit, Freiheit und Wahrung der menschlichen Würde über alle persönlichen Interessen und Wünsche stellen.“[29]
Die Bundeswehr ist dem humanitären Völkerrecht und vor allem der Würde des Menschen verpflichtet. Die Bevölkerung verlangt auch von der Bundeswehr, nun im Sinne einer Dienstleistung, vor äußeren Gefahren geschützt zu werden. Dieses Recht wird im Artikel 2 (2) des Grundgesetzes anerkannt: „Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit.“ Im Inneren kommt der Polizei die Aufgabe zu, dieses Recht so weit wie möglich zu schützen. Im Fall einer Bedrohung von außen kommt der Bundeswehr die Aufgabe nach Zustimmung des Bundestages zu, die Bevölkerung zu schützen und das Recht des deutschen Volkes zu verteidigen, und damit das Recht auf Leben zu schützen sowie die freiheitlich-demokratische Grundordnung insgesamt zu erhalten. Die innere Logik, der Sinn und Zweck der Bundeswehr ist also mit den ethischen Prinzipien des Grundgesetzes und dem Willen nach einem Fortbestand der freiheitlich-demokratischen Grundordnung untrennbar verbunden. Durch dieses historisch bedingte und ethisch und rechtlich durchdrungene Gewebe der Institution wird der Begriff „Kriegstüchtigkeit“ inhaltlich limitiert. Das Wort und alles, was mit ihm ausgedrückt wird, kann nicht im luftleeren Raum verstanden werden, sondern muss immer im Kontext der ethischen und rechtlichen Bestimmungen begriffen werden. Es ist ja verständlich, dass der Begriff ein Unbehagen verursacht, vor allem mit Blick auf die Geschichte des Zweiten Weltkrieges und die damit einhergegangene Zerstörung, Brutalität und Unmenschlichkeit. Gleichzeitig muss aber auch anerkannt werden, dass die gegenwärtig angestrebte Kriegstüchtigkeit der Bundeswehr einem ganz anderen Zweck dient: nämlich der Verteidigung der Friedensordnung und der freiheitlichen Demokratie, die nach den Zerstörungen des Zweiten Weltkrieges aufgebaut worden ist.
Militärsprache in einer neuen Demokratie
In den 1950er-Jahren wurde der Begriff „kriegstüchtig“ gelegentlich von Mitgliedern des Bundestagsausschusses für Verteidigung verwendet, z.B. von Georg Kliesing (CDU) in der kritischen Diskussion über die Gesundheitsappelle (am 30. November 1954) in der Besprechung einer Vorlage zur soldatischen Ordnung.[30] Ganz oft wurde allerdings ein anderer Begriff verwendet, der zwar nicht identisch mit der Semantik der Kriegstüchtigkeit, sondern verwandt und eigentlich untergeordnet ist: „schlagkräftig“ bzw. „Schlagkraft“. Dieser Begriff wird viel häufiger und von vielen unterschiedlichen Mitgliedern in den 1950er Jahren in dem Bundestagsausschuss für Verteidigung verwendet, zum Beispiel bei Franz-Josef Strauß (CDU/CSU) am 5. September 1952: „Die zweite Frage war eine militärische: ob die Schlagkraft der Verbände und die militärische Planung nicht im Ernstfall durch den inneren Notstand in sämtlichen Staaten über den Haufen geworfen werden könne.“[31] Üblicherweise wurde das Konzept als Grundbedingung betrachtet, zum Beispiel von Wilhelm Mellies (SPD) am 3. Oktober 1952: „Zusammengefasst möchte ich als meine Meinung ganz klar und deutlich sagen, dass diese Europäische Verteidigungsgemeinschaft auf dieser finanziellen Basis überhaupt nicht möglich ist. Diese finanzielle Basis ist so unsicher, dass man darauf keine Armee und vor allem keine schlagkräftige Armee aufbauen kann.“[32] Eine ähnliche Verwendung des Begriffs finden wir bei Theodor Blank am 8. Oktober 1952:
„Ich stehe auf dem Standpunkt, dass der Soldat, also die militärische Seite, in dem Falle das Verteidigungsministerium vom Standpunkt seiner Verantwortung zu sagen hätte, was man braucht, und zweifellos werden die Sachverständigen, die Militärs – und ich betrachte das nicht einmal als moralisch verwerflich – die Forderungen unter dem Gesichtswinkel stellen, gut ausgerüstet zu sein, schlagkräftig zu sein. Aber damit ist noch nicht gesagt, ob sich das auch in die Praxis umsetzen lässt.“[33]
Auch Baudissin verwendete den Begriff im Bundestagsausschuss für Verteidigung, etwa am 14. Juli 1953 in einer Rede zur Inneren Führung und konkret in der Passage zum Thema Betreuung der Soldaten, also die Aufgabe einen Soldaten bei der „Entfaltung seiner Möglichkeiten“[34] zu unterstützen: „Die Betreuung ist sicher ein sehr bedeutsames Feld, und all das, was hier an Mitteln gegeben wird, ist für die Entfaltung der Persönlichkeit und damit für die Schlagkraft recht wichtig.“[35] Dabei sieht er sieht er keinen Widerspruch zwischen Innerer Führung, der freien Entfaltung der Persönlichkeit und dem Ideal eines schlagkräftigen Soldaten.
Den Begriff finden wir auch in der Präambel einer Entwurfsfassung einer Vorschrift bzgl. der Militärdisziplinarordnung der damals geplanten Europäischen Verteidigungsgemeinschaft, wo es um die „Schlagkraft der Streitkräfte“ geht.[36] Auch Heinz Karst hat den Begriff oft verwendet, zum Beispiel am 1. August 1955: „Die Schlagkraft einer Armee ist heutzutage weitgehend abhängig von den moralischen Energien der Demokratie und des Staates, dem sie dient.“[37] Der Bundestagsvizepräsident (1953-65) Richard Jaeger, der auch Vorsitzender des Bundesausschusses für Verteidigung (1965-66) war, hat die „Schlagkraft“ als ein wesentliches Element der neuen deutschen Streitkräfte bewertet, das nach seinem Verständnis zugleich nicht im Widerspruch zur Einbindung des Militärs in den demokratischen Rechtsstaat stand:
„Wir haben zum ersten Mal eine, für die kurze sechsjährige Zeit ihres Bestehens erstaunlich gut funktionierende Demokratie in Deutschland, und wir müssen versuchen, eine Armee aufzustellen, die an Schlagkraft so gut ist, wie es deutsche Armeen je gewesen sind. Ferner müssen wir diese neue Bundeswehr und den demokratischen Staat in ein ausgewogenes Verhältnis bringen, wie es bisher noch nie vorhanden war.“[38]
„… mit Konflikten leben“ – Der Unterbau des Realismus
In den 1950er-Jahren wurde die Sprache der militärischen Leistungsfähigkeit und vor allem die „Kriegstüchtigkeit“ unterschiedlich verwendet, jedoch hauptsächlich in der Diskussion über die Abschreckungsstrategie. Unter dieser Abschreckungsstrategie liegt noch eine zusätzliche Schicht der intellektuellen Reflexion, die in den Diskussionen damals oft einfach vorausgesetzt und gar nicht angesprochen wurde. Diese tiefere Schicht ist aber wesentlich für die Abschreckungsstrategie sowie für die Gedanken bezüglich der Notwendigkeit eines kriegstüchtigen Militärs. Es hängt mit einer fundamentalen Konzeption bzw. Wahrnehmung des Menschen und der Welt als konfliktbehaftet (Realismus) zusammen.[39] In einigen Passagen finden wir diese Idee bei Baudissin:
„Ich meine, daß alles menschliche Leben als soziale Existenz sich zwangsläufig im Zeichen von Konflikten zur und mit der Umwelt vollzieht. Das gilt für das Individuum, gilt für die kleinen privaten und beruflichen Gruppen und gilt auch für die Staaten und Staatengruppen. Überall stoßen wirkliche und vermeintliche Interessen aneinander. Dieses Faktum läßt sich weder bestreiten, noch durch ihre gewaltsame Unterdrückung aus der Welt schaffen oder gar durch überdimensionale Feindbilder verdrängen. So werden wir – wohl oder übel – mit Konflikten leben müssen. Ihren Austrag zu steuern ist allerdings notwendiger geworden denn je.“[40]
Diese Vorstellung der Welt könnte zunächst fast manichäisch erscheinen. Sie stammt aber eigentlich aus einer realistischen Betrachtung der Welt, die auch in vielen religiösen Traditionen gespiegelt wird. In der jüdischen und christlichen Tradition gibt es beispielsweise die Vorstellung des „Sündenfalls“, also das Austreten der Menschheit aus dem Zustand der ursprünglich intendierten guten Ordnung des Friedens (vgl. Jes 2; Mic 4) in einen neuen Zustand des Konflikts und der Sterblichkeit – die faktische Wirklichkeit des Lebens (Gen 3). Eine realistische Betrachtung der Welt muss mit der Möglichkeit des Konflikts und dauerhaften Interessenkonflikten rechnen. Aus diesem Gedankenkomplex folgt die Reflexion über die Verhinderung und Minimierung des Konflikts in einer konfliktbehafteten Welt, woraus wiederum die Abschreckungsstrategie plausibel wird.
Paradox des Friedens: Abschreckungsstrategie und Zweckrationalität der „Kriegsverhütung“
Die moderne Abschreckungsstrategie des Westens im Kalten Krieg ist in vielerlei Hinsicht und aus historischer Perspektive ganz einzigartig, vor allem mit Blick auf die technologischen Entwicklungen des 20. Jahrhunderts, Atomwaffen und den besonderen ideologischen Gegensatz zwischen dem Osten und dem Westen. Die Abschreckungsstrategie steht jedoch auch in einer gewissen Kontinuität mit dem Verteidigungsgedanken der Antike.[41]Der römische Kriegstheoretiker Publius Flavius Vegetius ist der Urheber des bekannten militärstrategischen Satzes: „Wer Frieden will, bereite sich auf den Krieg vor“ („qui desiderat pacem, praeparet bellum“). Viele Militärstrategen sehen in diesem Zitat einen uralten Vorläufer der Abschreckungsstrategie der Neuzeit. Nach Antulio J. Echevarria II beruht die Vegetius-Maxime „auf einer realistischen Sicht der menschlichen Natur“. Die Grundidee der Strategie lautet: „Um Aggressionen zu verhindern, müssen wir stark genug erscheinen, um einen Angriff abzuwehren, oder ihn zumindest so kostspielig machen, dass er sich nicht lohnt.“[42] Ähnliche strategische Empfehlungen lassen sich bei Cicero, Livius und Publius Syrus finden, die militärische Stärke als notwendige Voraussetzung für den Frieden deuten.[43]Zum Vergleich mit modernen Konzeptionen der Abschreckungsstrategie im Kalten Krieg muss man natürlich bedenken, dass die Denkweisen und Bedeutungen der Begriffe in der Antike ganz anders waren. Frieden, „pax“, hat etymologisch mit einem Pakt bzw. Abmachung zu tun und setzt auch in diesem Zusammenhang die Vorstellung der römischen Vorherrschaft voraus.[44] In der römischen Antike geht es also nicht um die moderne pluralistische Vorstellung einer Welt mit unterschiedlichen politischen Systemen, die zur Koexistenz oder sogar Kooperation fähig wären, sondern um ein Bild der Vorherrschaft, aus der die „pax“ naturgemäß folgt.[45] Kämpfer und Kriege sind in der Literatur der Antike zwar sehr oft verherrlicht worden. Formal betrachtet, unterlag der Krieg jedoch den rationalen Erwägungen hinsichtlich des Rechtes und der Sicherheitsinteressen des Staates (Cicero, De re publica, 3.23); außerdem wurde der Zustand des Friedens, εἰρήνη (eirene), pax und otium, bei vielen Denkern der Antike eindeutig präferiert – auch als Ideal in der Bestrebung der Staatsführung (Aristoteles, Politik, 1333a; 1334a; Cicero, Pro Sestio 98; Cicero, De lege agraria 1.7.23).[46]Der Altphilologe Glenn W. Most hält daran fest, dass erst nach dem „Aufkommen des Christentums“ die Kriegspraxis der Antike grundlegend in Frage gestellt wurde.[47]Auch wenn die Vorstellung des Krieges und des Friedens in der Antike anders konzipiert worden ist, kann man sehr wohl von einer gewissen Vorgeschichte der Abschreckungslehre in der römischen Antike ausgehen. Bei Livius wird die Idee sehr anschaulich: „haltet bloß den Krieg vor, und ihr werdet Frieden haben“.[48] Die Abschreckungslehre entsteht keinesfalls im 20. Jahrhundert, genau wie die Vorstellung der Notwendigkeit der Kriegsvorbereitung eines schwächeren Landes gegenüber einer größeren Macht. Ein bekanntes Beispiel für Letzteres aus der Neuzeit ist bei Carl von Clausewitz zu finden, der die Notwendigkeit der Kriegsvorbereitung hervorhebt:
„Der Krieg ist mehr für den Verteidiger als für den Eroberer da, denn der Einbruch hat erst die Verteidigung herbeigeführt und mit ihr erst den Krieg. Der Eroberer ist immer friedliebend (wie Bonaparte auch stets behauptet hat), er zöge ganz gern ruhig in unseren Staat ein; damit er dies aber nicht könne, darum müssen wir den Krieg wollen und also auch vorbereiten, d. h. mit anderen Worten: es sollen gerade die Schwachen, der Verteidigung Unterworfenen, immer gerüstet sein und nicht überfallen werden; so will es die Kriegskunst.“[49]
Natürlich gibt es eine eindeutige Diskontinuität zwischen diesen älteren Traditionen und der modernen Bundeswehr, die im Einklang mit der Präambel des Grundgesetzes auf Frieden und internationale Kooperation ausgerichtet ist. Auch in den Grundlagen der Logik sehen wir einen anderen Ausgangspunkt. Die Forderung nach einer abschreckungs- und leistungsfähigen (also „kriegstüchtigen“) Bundeswehr basiert auf die Annahme der Friedenslogik der Abschreckung, die beispielsweise schon in der „Himmeroder Denkschrift“ des militärischen Expertenausschusses über die „Aufstellung eines Deutschen Kontingents im Rahmen einer übernationalen Streitmacht zur Verteidigung Westeuropas“ (Himmerod, 9. Oktober 1950) explizit erwähnt wird: „Je stärker die Sicherung, desto geringer ist der Anreiz für die Sowjetunion zu einer aggressiven Politik und desto sicherer die Erhaltung des Friedens.“[50]Auch in der Schrift Vom künftigen deutschen Soldaten: Gedanken und Planungen der Dienststelle Blank von 1955 wird zentral von Anfang an die Abschreckungsdoktrin eindeutig vertreten, und als Grund für die Aufstellung von Streitkräften benannt: „Im übrigen lehrt die Geschichte, daß auch militärische Schwäche zu Kriegen führen kann, weil sie den Angriff eines Friedensstörers geradezu herausfordert.“[51] Baudissin vertrat die Abschreckungsstrategie ganz und gar aus der Perspektive der Erhaltung des Friedens: „Die Streitkräfte können Wesentliches zur Stärkung und Wahrung des Friedens beitragen, indem sie durch die militärische Abwehrstärke dem Gegner die Versuchung eines risikolosen Angriffs nehmen […].“[52] Er hebt hervor, dass es primär um Erhaltung des Friedens geht: „Das militärisch-politische Ziel heißt primär: Verhinderung des Krieges; seine Mittel sind die weltweit aufgestellten Abschreckungsstreitkräfte.“[53] Mit Blick auf die NATO betont Baudissin: „Die NATO muss, nach Sinn und Organisationsprinzip, die Aggression abwarten. […].“ Dabei muss das „Vergeltungspotential“, wie Baudissin es damals verstand, „so groß sein, dass es auch im Nachschlag tödlich wirkt.“[54] Um des Friedens willens muss man paradoxerweise bereit sein (so Baudissin noch damals in der Sprache des Gleichgewichts des Schreckens, mutually assured destruction, „MAD“) den „Aggressor mit sich in die totale Zerstörung zu reißen“.[55]Diese Ideen waren damals in einem Verwandlungsprozess im Verlauf der NATO-Strategie der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. In allen Stadien dieser Entwicklung sollte diese Strategie dem Frieden dienen und hat mit Kriegstreiberei nichts zu tun: „[…] wenn es früher Aufgabe des Soldaten war, die Schlacht zu gewinnen, er heute den Krieg verhindern soll – was im übrigen von ihm zumindest den gleichen Ernst und die gleiche Tüchtigkeit wie früher, im Frieden jedoch größere Entsagung fordert.“[56] In diesem Sinn verwendet Baudissin auch den Begriff „Kriegsverhütungsstrategien“.[57] Insgesamt geht es um die Verteidigung der Friedensordnung: „Wer verteidigt, schützt Wirklichkeit; nur der Angreifer benötigt Ideologien. Unsere Wirklichkeit ist eine Ordnung; die für und in Freiheit, Rechtsstaatlichkeit und Menschenwürde leben lässt.“[58]
Auch bei Heinz Karst finden wir eine sehr ähnliche Konzeption, zum Beispiel im Vorwort zur 3. Auflage seines Hauptwerkes: „Jeder Staatsbürger kann nur hoffen, daß Freiheit, Recht und Wahrhaftigkeit als verteidigenswerte Lebensmächte besser erkannt werden – und die Bundeswehr so schlagkräftig wird, daß sie der Politik helfen kann, den Frieden zu bewahren, einen Frieden in Freiheit!“[59] Karst hebt die Friedensabsichten des neuen deutschen Militärs hervor: „Alles muss getan werden, einen Krieg zu verhindern.“ Auch wenn der Soldat nach seiner Ansicht hauptsächlich „zum Kämpfen erzogen“ werden sollte (und nicht „zum Sterben“), liegt auch dieser Forderung die Idee des Friedens zugrunde: „Je entschlossener, tapferer und besser ausgebildet er für den Kampf ist, desto mehr Aussicht hat die Politik, die Spannungen der Völker in friedlicher Verhandlung zu mildern oder auszugleichen.“[60] Diese Gedanken sind auch in das Handbuch Innere Führung (1957) aufgenommen worden:
„So steht zunächst als soldatische Aufgabe im Vordergrund: Durch ein Höchstmaß an abwehrbereiter Kriegstüchtigkeit Schutz in der latenten Bedrohung zu geben. Das bloße Vorhandensein von brauchbaren Soldaten hilft dem Politiker, die innere Ordnung ungestört wachsen und sich festigen zu lassen und die äußeren Spannungen mit nichtkriegerischen Mitteln auszutragen.“[61]
Die Begrifflichkeit in dieser Passage im Handbuch geht offensichtlich auf Baudissins Rede „Das Bild des zukünftigen Soldaten“ zurück, die er am 22. Juni 1954 beim 14. Sitzung des Bundestagsausschusses für Verteidigung gehalten hat:
„Zum Kriege nimmt er [der Staatsbürger in Uniform, psp] eine besondere Stellung ein. Der Krieg kann für den Staatsbürger in Uniform kein Feld ersehnter Bewährung sein, wo erst die Mannestugenden geweckt und betätigt werden können. Der Krieg kann auch kein normales Mittel der Politik oder ihre natürliche Fortsetzung sein; denn der Krieg ist ja nun wirklich unseren Vorstellungen und Einflussmöglichkeiten längst enteilt. Es kann nur noch um die letzte Verteidigung der Existenz gehen, und der Soldat hat hierbei mitzuhelfen, diesen Krieg durch einen Höchstgrad abwehrbereiter Kriegstüchtigkeit zu verhüten. Er sollte allerdings auch als Staatsbürger den Politiker immer wieder darauf aufmerksam machen, dass der Soldat ja nicht das einzige Mittel dieser Auseinandersetzung sein kann oder sein darf.“[62]
Baudissin hat keinen Widerspruch darin gesehen, dass ein vollwertiger Soldat nach den Prinzipien der Inneren Führung zugleich freiheitlich, staatsbürgerlich und „kriegstüchtig“ zur Verhütung eines Krieges sein sollte. Er hat sogar die tiefe Zustimmung zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung als Voraussetzung der Kriegstüchtigkeit bewertet:
„Nun erhebt sich aber die schwierige Frage, wie es zu verwirklichen ist, dass Soldaten, die nicht alle als Staatsbürger die Uniform anziehen, sie nun als Staatsbürger tragen, d.h. dass sie kriegstüchtig werden. Ich darf mich auf einige Hinweise beschränken, halte diese aber doch für angebracht; denn damit umreiße ich gleich das Gebiet der Inneren Führung überhaupt, deren Grundsätze ja in meinem Referat erarbeitet werden. An dieser Verwirklichung ist zunächst einmal sehr stark diese soldatische Ordnung beteiligt, die nichts anderes als ein Ausschnitt der Gesamtordnung mehr sein kann; d.h. sie muss freiheitlich sein.“[63]
Den gesamten Gedankengang könnte man aus der heutigen Perspektive als eine Form der Zweckrationalität beschreiben. Es geht also nicht um den Aufbau der Kriegstüchtigkeit oder der Schlagkraft an und für sich, sondern um das, was dadurch erreicht wird: Abschreckung und dadurch eigentlich: Friedensbewahrung. In der Logik stehen Kriegstüchtigkeit und Schlagkraft der Streitkräfte auf der dritten Ebene. An der ersten Stelle geht es eigentlich um 1. Friedensbewahrung, die durch 2. Abschreckung erreicht wird, die wiederum durch 3. Kriegstüchtigkeit bzw. durch ein schlagkräftiges Militär erreicht wird. Abschreckung kann natürlich auch durch anderes, zum Beispiel wirtschaftliches Mittel erreicht werden. Diese Denkschritte – die wir sowohl implizit als auch explizit in dieser Zeit in unterschiedlichen Kontexten finden – bringen auch die Motivation der Friedensbewahrung zum Ausdruck, wie sie in der Präambel des Grundgesetzes festgelegt wird: „Im Bewußtsein seiner Verantwortung vor Gott und den Menschen, von dem Willen beseelt, als gleichberechtigtes Glied in einem vereinten Europa dem Frieden der Welt zu dienen …“
Der „vollwertige Soldat“, verankert im triadischen Selbstverständnis
Die triadische Konzeption des soldatischen Selbstverständnisses ist der gedankliche Raum, in dem die Kriegstüchtigkeit spannungsvoll eingebettet, sinnhaft verankert und ethisch begrenzt wird. In der aktuell gültigen Zentralen Dienstvorschrift „Innere Führung“ wird diese Konzeption dargestellt:
„Ein zentrales Element der Inneren Führung ist das Leitbild vom ‚Staatsbürger in Uniform‘. In diesem Leitbild werden idealtypisch die Forderungen an den Soldaten und die Soldatin der Bundeswehr verdeutlicht: – eine freie Persönlichkeit zu sein, – als verantwortungsbewusster Staatsbürger bzw. als verantwortungsbewusste Staatsbürgerin zu handeln und – sich für den Auftrag einsatzbereit zu halten.“[64]
Die triadische Konzeption stammt aus dem „Amt Blank“ und dem Schreiben zur „Regelung der ‚Inneren Führung‘“ von 1953: „Alle Arbeiten auf dem Gebiet ,Innere Führung‘ haben das Ziel, den Typ des modernen Soldaten zu schaffen und fortzubilden, der freier Mensch, guter Staatsbürger und vollwertiger Soldat zugleich ist.“[65] Qualitative Exzellenz im Handlungsbereich der militärischen Leistungsfähigkeit („Kriegstüchtigkeit“) ist allerdings nicht das einzige anzustrebende Ziel des Soldaten bzw. der Soldatin, auch wenn es zweifellos eine conditio sine qua non jedes sehr guten Militärs ist. Das Selbstverständnis des im Militär dienenden Menschen darf nicht auf diese singuläre Dimension reduziert werden. Nach der Inneren Führung sollten Soldaten und Soldatinnen mehr als nur „einsatzbereit“ sein und sie haben mehr als nur Kriegführung als Aufgabe. In bestimmten Situationen sind Kompetenzen in interkulturellen, sozialen, psychologischen, ethischen und rechtlichen Arbeitsgebieten vonnöten.[66]Das gesamte Militär muss dem Grundgesetz entsprechen, in der Lage sein, die äußere Sicherheit profizient garantieren zu können. Das schließt auch das ein, was in der heute gültigen Zentralen Dienstvorschrift „Innere Führung“ genannt wird:
„Der militärische Dienst, insbesondere in Führungsverwendungen, stellt hohe Anforderungen an die Persönlichkeit. Soldatinnen und Soldaten finden in den Grundsätzen der Inneren Führung Sicherheit für ihr Handeln. Denn der militärische Auftrag erfordert in letzter Konsequenz, im Kampf zu töten und dabei das eigene Leben und das Leben von Kameraden einzusetzen.“[67]
Auch der Diensteid wird in dieser Dienstvorschrift zitiert:
„Die gesetzlich bestimmten Pflichten der Soldatinnen und Soldaten sind aus den Erfordernissen des militärischen Dienstes abgeleitet. a. Allen Soldatinnen und Soldaten ist die Grundpflicht auferlegt, ‚der Bundesrepublik Deutschland treu zu dienen und das Recht und die Freiheit des deutschen Volkes tapfer zu verteidigen‘ (§ 7 SG). Dies schließt im äußersten Fall den Einsatz des Lebens ein. Die freiheitliche demokratische Grundordnung sichert Recht und Freiheit. Darum müssen die Soldatinnen und Soldaten diese Grundordnung anerkennen und für ihre Erhaltung eintreten (§ 8 SG).“[68]
Zum historischen Vergleich kann man diese Aspekte auch im Handbuch Innere Führung (1957) finden: „Der Kampf verlangt Kühnheit und Willenskraft, Besonnenheit und Beharrlichkeit, auch in höchster Gefahr und bis zur Hingabe des Lebens. Darum ist Tapferkeit die auszeichnende Tugend des Soldaten. In ihr vereint sich natürlicher Mut, der durch Erfahrung verläßlich wird, mit wachem Geist und wachem Gewissen.“[69] Auch die besondere psychologische Dimension wurde damals thematisiert: „Der Soldat muß widerstandsfähig und spannkräftig, entbehrungsbereit und hart gegen sich selbst sein. Er soll im Sinne des Ganzen selbständig denken und verantwortungsbewußt gehorchen. Entschlossenes Handeln ist das erste Erfordernis im Kriege.“[70]Der ethische Charakter des Diensteides und die historische Orientierung an guten Vorbildern bleiben dabei wichtig: „Um uns die letzten Konsequenzen des Eides ins Gewissen zu prägen, sollten wir uns an die Männer des 20. Juli 1944 erinnern […] Sie opferten ihre Existenz für Freiheit, Recht und Menschenwürde. Wer unseren Diensteid und seinen Auftrag ernst nimmt, kann nur mit tiefem Dank und Bewunderung auf diese Männer als seine Vorbilder blicken.“[71]
Die besondere Aufgabe des Militärs fordert eine genau zugeschnittene Ausbildung und umfassende Betreuung. Hinsichtlich des inneren Gefüges der neuen Streitkräfte wurde schon in der „Himmeroder Denkschrift“ (1950) betont, dass „grundlegend Neues zu schaffen ist“, hierbei „ohne Anlehnung an die Formen der alten Wehrmacht“.[72] Die gesamte Konzeption des künftigen „deutschen Kontingents“ sollte einem höheren ethischen Zweck dienen: „Der Soldat des Deutschen Kontingents verteidigt zugleich Freiheit im Sinne der Selbstbestimmung und soziale Gerechtigkeit. Diese Werte sind für ihn unabdingbar.“[73]Die höhere Werteordnung des Militärs wird ausdrücklich erwähnt: „Das Ganze wie der Einzelne haben aus innerer Überzeugung die demokratische Staats- und Lebensform zu bejahen.“[74]Auch aus diesem Grund wird die Notwendigkeit der Weiterbildung thematisiert:
„Der Erziehung des Soldaten im politischen und ethischen Sinne im Rahmen des allgemeinen Dienstunterrichts ist von vorneherein größte Beachtung zu schenken. Sie hat sich nicht auf das rein Militärische zu beschränken. Durch Schaffung eines europäischen Geschichtsbildes und Einführung in die politischen, sozialen und wirtschaftlichen Fragen der Zeit kann von der Truppe aus über den Rahmen des Wehrdienstes hinaus ein entscheidender Beitrag für die Entwicklung zum überzeugten Staatsbürger und europäischen Soldaten geleistet werden. Damit muß zugleich die innere Festigkeit gegen eine Zersetzung durch undemokratische Tendenzen (Bolschewismus und Totalitarismus) erreicht werden. Völkerrechtsfragen sind in den Unterricht mit einzubeziehen.“[75]
In der frühen Aufbauphase der neuen deutschen Streitkräfte gibt es eine wiederholte Hervorhebung des besonderen soldatischen Ideals: militärische Exzellenz (Kriegstüchtigkeit, Schlagkräftigkeit usw.), individuelle Freiheit (eigenständige und freie Persönlichkeitsentfaltung, „Führen mit Auftrag“, mitdenkendes Individuum mit einem eigenen inneren ethischen Kompass) und staatsbürgerliche Verantwortung (innere Überzeugung in Bezug auf Demokratie, Freiheit, Rechtsstaatlichkeit, Grundgesetz, „Staatsbürger in Uniform“ usw.). Die verschiedenen Momente werden in einem Gesamtbild begriffen und ganz selbstverständlich als komplementär und nicht widersprüchlich verstanden. Nicht im Sinne einer Entweder-oder-Polarität sind sie zu betrachten, sondern als sich gegenseitig unterstützende Prinzipien, die im inneren Leben der Organisation und in der Bildung angestrebt werden sollten.
Jedoch stoßen Ausbildung, Unterricht und Vorbereitung auch an Grenzen, wie Baudissin feststellte: „Kampfsituationen und Kampfmotivationen sind Extremlagen menschlicher Existenz; in ihnen herrschen besondere Gesetze; sie lassen sich nicht vorüben.“[76] Ethische Bildung ist trotzdem essenziell für die Kultivierung eines tugendhaften Habitus der moralischen Standhaftigkeit, Tapferkeit sowie in der Sensibilisierung für die Kunst des Unterscheidens. Baudissin bringt das im folgenden Zusammenhang zum Ausdruck, in dem er die Behandlung des militärischen Gegners bespricht:
„Die ständig wachsende Vernichtungskraft der modernen Waffen hat die Dimension des Überschaubaren längst überrollt. Sie hat den Blick auch dafür verstellt, daß das Töten von Menschen weder die Hauptaufgabe des Soldaten ist, noch sein darf; daß sein Auftrag vielmehr darin besteht, ein gestecktes sachliches Ziel zu erreichen und zugleich die militärischen Gegner vom Erreichen ihrer Ziele abzuhalten. Dabei kann er zu Gewaltanwendung gezwungen sein, die jedoch das Maß dessen nicht überschreiten soll, das notwendig ist, um den Gegner mattzusetzen. Das erste Mittel dazu ist seine Entwaffnung, erst ein zweites seine physische Außergefechtsetzung, und nur als deren extremer Sonderfall ist seine Tötung zu rechtfertigen. Den Soldaten konsequent zum Töten zu erziehen, heißt ihn bestialisieren, das heißt in ihm diejenige Ordnung zerstören, zu deren Schutz er antreten soll. Damit wird keine Verweichlichung propagiert. Die Härte, von der heute vielfach gefordert wird, dass sie sich an der Härte unseres mutmaßlichen Gegners ausrichten müsse, kann nicht die Erbarmungslosigkeit des ‚Killers‘ sein. Es ist vielmehr die geistige und moralische Standhaftigkeit, die notfalls auch das Töten von Menschen auf sich nimmt, falls es sich nicht vermeiden lässt, und die es vor sich und vor Gott zu verantworten sucht.“[77]
Nach Baudissin werden Menschen im militärischen Dienst nicht zum Töten erzogen, sondern zur sensiblen und verantwortungsvollen Unterscheidungsfähigkeit in der stufenweise abgestimmten und zweckdienlichen Anwendung der Gewalt und zur moralischen Standhaftigkeit im Bewusstsein der vollen Breite der Verantwortung. Im Handbuch Innere Führung (1957) werden in diesem Themenfeld auch die geistigen Dimensionen thematisiert:
„Wenn aber das Ziel aller Führung und Ausbildung die Kriegstüchtigkeit des Soldaten ist – Tüchtigkeit im Heißen wie im Kalten Krieg –, so wissen wir angesichts dessen, was Krieg bedeutet und was wir selbst erfahren haben, daß hier der ganze Mensch mit allen seinen Kräften gefordert wird. Handwerkliche Fähigkeiten allein genügen nicht. Diese aus der Erfahrung des Krieges gewonnene Tatsache steht am Anfang der Leitsätze (Ziff. 2) und setzt der Erziehung ihr Ziel: Sittliche, geistige und seelische Kräfte bestimmen, mehr noch als fachliches Können, den Wert des Soldaten in Frieden und Krieg.“[78]
Die Entwicklung der hier genannten sittlichen, geistigen und seelischen Kräfte kann nicht durch ein einfaches Prozedere bewirkt werden, da sie sich nur in einer Kultur der bejahenden, eigenständigen Persönlichkeitsentwicklung frei entfalten können. Zweifellos haben Religion, positive Gruppendynamiken, ethische Sensibilisierung, Kulturerfahrung, Geschichtskenntnisse und politische Bildung mit dieser geheimnisvollen Entwicklung zu tun. Auch aus diesem Grund werden die subjektiven Reflexionsräume des Lebenskundlichen Unterrichtes, die geistliche Begleitung der Militärseelsorge und die Weiterbildung und Horizonterweiterung in politischen, historischen und ethischen Themenfeldern von unverzichtbarer Bedeutung für die moderne und leistungsfähige Bundeswehr der Zukunft bleiben.
Zur Entwicklungsweise der militärischen Leistungsfähigkeit
Eine „schlagkräftige Truppe“ wird nur durch viele gleichzeitig laufende Entwicklungsprozesse erreicht, die immer an die neuen Herausforderungen und Situationen angepasst und von erfahrenen und hochqualifizierten Persönlichkeiten sorgfältig geleitet werden müssen. Nach Baudissin sind auch Freiheit und Selbstverantwortung in diesem stets dynamischen Prozess ganz wesentlich. Er hebt dabei das Ideal des ethisch selbst denkenden und handelnden Einzelnen hervor:
„Innere Führung bedeutet vielmehr, die in den Wehrgesetzen und Vorschriften niedergelegten, in die institutionellen Regelungen eingegangenen Grundsätze der soldatischen Ordnung im täglichen Dienst und im Zusammenleben der Soldaten frei und selbstverantwortlich zu verwirklichen, um eine schlagkräftige Truppe zu schaffen und zu erhalten. Die Aufgabe der militärischen Ausbildung und Menschenführung ist zu allen Zeiten stets die gleiche gewesen: eine schlagkräftige Truppe mit hoher Kampfmoral für den Ernstfall auf die Beine zu stellen. Auf welche Weise diese Schlagkraft erreicht wird, unterliegt jedoch dem geschichtlichen Wandel, wie alle Formen und Weisen menschlichen Zusammenlebens.“[79]
Auch hier geht es allerdings nicht um ein leistungsfähiges Militär an sich, sondern um ein höheres ethisches Ziel bzw. Ideal: die „Wahrung des Friedens“:
„Die Menschenführung geschieht damit in einem schwierigen Spannungsfeld: sie soll zur Kriegstüchtigkeit führen, die aus mehr besteht, als handwerklichem Können; aber dabei dem einzelnen stets vor Augen halten, dass das eigentliche Ziel nur die Wahrung des Friedens sein kann. So divergierend diese Forderungen auch sein mögen: ein anderes und größeres Ziel kann sich der Soldat nicht stecken und ein anderer Weg zu diesem Ziel scheint nicht gegeben.“[80]
Nach Baudissin führt die friedliche Einstimmung des soldatischen Selbstverständnisses in der inneren Bejahung der freiheitlichen Demokratie dazu, dass demokratische Streitkräfte am Ende leistungsfähiger sind: „Demokraten betragen sich zwar im Frieden betont unheroisch und pluralistisch, aber auf dem Gefechtsfeld sind sie doch beachtlich effizient.“[81]
Imperativ des Friedens
Demokratien gehen im Allgemeinen aus ganz verschiedenen, auch wirtschaftlichen Gründen (wie auch Immanuel Kant hervorhob) friedlich miteinander um. Das Streben nach einer friedlicheren Welt ist ein dauerhaftes Projekt, das nur dann erfolgreich werden kann, wenn jede Generation die ethische Wahrheit der axiomatischen Überlegenheit des Friedens verinnerlicht und sie in aktive Praxis umsetzt. Die Vernunft ruft uns dazu, „den Krieg als Rechtsgang“ zu verdammen, wie Kant das zutreffend formulierte.[82] Wir müssen aber „klug wie die Schlangen“ (Matt 10,16) bleiben, auch wenn wir eigentlich „Tauben“ sind. Auch dann, wenn Staaten „den Krieg als Rechtsgang“ verdammen und sich zum dauerhaften Friedenszustand verpflichten, können die politischen Ordnungen dieser Staaten immer wieder zerfallen; neue Kräfte können an die Macht kommen, die die friedliche Absicht und die Rechtsordnung der Vergangenheit verwerfen. Leider ist unsere Welt heute immer noch in einem Zustand, in dem wir eine „leistungsfähige“ Bundeswehr benötigen. Die Bundeswehr und jedes Militär, das an den Menschenrechten, an der Erhaltung des Friedens und an der freiheitlichen Demokratie gebunden ist, sind kein notwendiges Übel. Sie leisten vielmehr eine sehr wichtige Aufgabe, die an sich gut ist: die Verteidigung der Friedensordnung und der äußeren Sicherheit der freiheitlichen Demokratie.
Der erste Bundeskanzler der neuen Bundesrepublik Konrad Adenauer hat die eigentliche Aufgabe des Soldaten ganz überzeugend in seinem Grußwort zur Schrift Vom künftigen deutschen Soldaten: Gedanken und Planungen der Dienststelle Blank von 1955 benannt: Es geht um die „Bewahrung der freiheitlichen Lebensordnung und des Friedens“.[83] Die genaue Begrifflichkeit, die wir für diese Aufgabe verwenden, ist zwar sehr wichtig, aber letztlich von sekundärer Bedeutung. Es geht hier um eine fundamentale Fähigkeit: Beherrscht man sie – oder nicht? Das ist die primäre Frage. Die Konzentration muss vielmehr auf die besonderen Fähigkeiten, die notwendige Ausrüstung und das innere Gefüge des Militärs gelegt werden, um den Auftrag im Notfall erfüllen zu können. Bis der Weltfrieden eintritt, muss die Logik im Bereich der geltenden Wirklichkeit Vorrang haben. Zweifellos können wir uns mit Augustin nach einer idealen Welt der vielen kleinen „regna“ (Reiche, Staaten) sehnen, die friedlich und in Freude miteinander koexistieren und jeden Expansionswunsch ablehnen (De civ. dei, 4.15), oder mit Kant unsere Hoffnung auf einen „Vertrag der Völker“ setzen, einen „Friedensbund (foedus pacificum)“, in dem alle Kriege für immer durch die Selbstverpflichtung der jeweiligen freien Staaten beendet werden können.[84] Die Vereinten Nationen sind ein Beispiel eines solchen Friedensbundes, ebenso wie die NATO. In und mit diesen Organisationen, mit allem Pragmatismus und allen anderen möglichen Methoden und Kanälen müssen wir weiter am unvergleichbar wichtigen, universalen Friedensprojekt arbeiten und die Arbeit daran niemals aufgeben. Wir müssen versuchen, jeden Krieg zu verhindern, bestehende Kriege zu entschleunigen und zu einem gerechten Friedenszustand zu bringen – so weit wie möglich.[85] Zu Augustins Zeit, zu Kants Zeit und auch heute wissen wir allerdings, dass das Streben nach Frieden immer wieder durch Selbstinteresse verdrängt wird und die Macht der Stärkeren, die Hybris und die Selbstverherrlichung ganz oft das Völkerrecht und den Frieden mit den Schwächeren erdrücken.[86] Die Welt, in der wir heute leben, ist eine Welt, in der autokratische Mächte immer stärker und wirtschaftlich einflussreicher werden. China, Russland und ihre Verbündeten streben nach einer internationalen Ordnung, in der die Autokratie nicht nur Bestand hat, sondern sich langsam ausbreitet, in der die Demokratie zurückgedrängt wird, friedliche Nachbaren unterworfen werden, Menschenrechte und Grundrechte der Freiheit wie Presse- und Redefreiheit ausgelöscht werden und die Infragestellung des Staates verboten wird. Der Grundsatz gilt: Wenn man Frieden will, sollte man den Frieden vorbereiten. Jedoch muss man gleichzeitig davon ausgehen, dass diese Friedensbestrebungen, so gut und richtig sie sind, gänzlich ignoriert werden könnten. Die conditio humana wurde zutreffend von Seneca beschrieben: Der Mensch „schämt sich nicht, am Blut anderer zu schwelgen, Krieg zu führen und die Kriegsführung seinen Söhnen anzuvertrauen, wenn selbst stumme und wilde Tiere miteinander Frieden halten.“[87] Im Fall eines Angriffs muss ein „leistungsfähiges“ (Baudissin würde sagen: „kriegstüchtiges“ und „schlagkräftiges“) Militär zur Verteidigung im Einklang mit dem Grundgesetz und dem humanitären Völkerrecht und entsprechend den Prinzipien, Werten und Normen der Inneren Führung jederzeit bereitstehen und stets eingeübt sein. Die Friedensordnung, die nach den Zerstörungen des Zweiten Weltkrieges mühsam aufgebaut worden ist und sich heute einem massiven Stresstest ausgesetzt sieht, wird jedoch nicht allein durch ein einziges nationales Militär gesichert. Auch heute wird die Friedensordnung am besten durch einen mehrgleisigen Ansatz unterstützt und bewahrt: durch das gleichzeitige Streben nach Weltfrieden und das Fördern der freiheitlichen Demokratie mit robusten, international vernetzten sozialen Marktwirtschaften und einem leistungsfähigen Verteidigungsbündnis.
[1] In seiner Analyse der machtpolitischen Fakten der Gegenwart betont der Historiker Andreas Rödder, dass „eine Achse imperialer revisionistischer Mächte im globalen Osten den globalen Westen und die liberale Ordnung herausfordert. Die neue Ordnung ist bipolar, aber sie ist komplexer und unberechenbarer als der alte Ost-West-Konflikt nach 1945.“ Andreas Rödder, Der verlorene Frieden: Vom Fall der Mauer zum neuen Ost-West-Konflikt, München 2024, S. 192. Rödder schreibt: „Der globale Westen als Sieger von 1989 steht nicht mehr vor der weltweiten Verbreitung seiner Ordnung, sondern von der existenziellen Herausforderung seiner Selbstbehauptung.“ (S. 191). Zurückblickend sei es „ungewiss“, ob ein besseres „Management“ des Konflikts mit Russland (also auch die „Gesichtswahrung Russlands stärker ins Kalkül zu ziehen, ohne auf den Schutz der ostmitteleuropäischen Staaten zu verzichten“) das russischen „Ressentiment“ bzgl. der Niederlage von 1989/91 einfangen konnte. Man dürfe Russland nicht allein als „reagierendes Objekt“ betrachten und dabei übersehen, dass es auch als „autonom handelndes Subjekt“ agiert. Mit Blick auf die Gegenwart hebt er u.a. hervor, dass „die konsequente Verteidigung der Integrität souveräner Staaten und die Eindämmung des Expansionismus imperialer Mächte“ nötig ist, um die „liberale Ordnung“ aufrechtzuerhalten. (S. 198) Dies schließt u. a. auch einen „verteidigungspolitischen Beitrag Europas“ ein. (S. 199 f.) U.a. werden auch die innere Vitalität der Demokratie, „wertebasierte Realpolitik“, transatlantische Solidarität und europäische Handlungsfähigkeit thematisiert. (S. 195-201)
[5] Bundesministerium der Verteidigung, Verteidigungspolitische Richtlinien 2023, Nov. 2023, S. 9.
[6] Bundesministerium der Verteidigung, Verteidigungspolitische Richtlinien 2023, Nov. 2023, S. 9.
[7] Bundesministerium der Verteidigung, Verteidigungspolitische Richtlinien 2023, Nov. 2023, S. 9.
[8] Bundesministerium der Verteidigung, Verteidigungspolitische Richtlinien 2023, Nov. 2023, S. 27.
[9] Das Wort von Bundespräsidenten Gustav Heinemann („Der Frieden ist der Ernstfall“) in seiner Antrittsrede (1. Juli 1969) enthält laut dem Taschenbuch für Wehrfragen 1974/75 „einen deutlichen Hinweis auf den wichtigsten Auftrag des Soldaten heute: Bedingungen zu schaffen, daß der Ausbruch eines Krieges so unwahrscheinlich wie möglich wird.“ Der Soldat „muß sich in täglicher, harter und entbehrungsreicher Ausbildung auf die Handhabung tödlicher Waffen – aufs Kämpfen also – vorbereiten, und soll und muß gleichzeitig wünschen, daß es niemals zu diesem Kampf – zum Kriege – kommt.“ Folglich wird es festgestellt: „Ein junger Mann, der in der Bundeswehr seinen Wehrdienst leistet, bekundet dadurch seinen Willen, dazu beizutragen, daß es in Deutschland und Europa nicht zum Kriegsdienst kommt.“ Werner Buchstaller, u.a. in Zusammenarbeit mit dem Bundesministerium der Verteidigung (Hrsg.), Taschenbuch für Wehrfragen 1974/75, Frankfurt 1974/75, S. 51.
[10] Auch wenn ein leistungsfähiges („kriegstüchtiges“, „schlagkräftiges“) Militär nicht das einzige und alleinige Mittel zur Friedenssicherung und Abschreckung ist, ist es zweifellos eine wichtige Dimension des Gesamtpakets. Zu dieser Debatte heute s. Sönke Neitzel, Kriegstüchtig? Zur Zeitenwende in Politik, Gesellschaft und Truppe, in: Aus Politik und Zeitgeschichte 74/47-48 (2024), 16. Nov. 2024, S. 4-10; Harald Welzer, Kriegstüchtigkeit: Über die gefährliche Konjunktur eines Begriffs, in: Kulturpolitische Mitteilungen 2/2024, S. 31–33; Margot Käßmann, Schleichende Militarisierung: Beobachtungen zur Veränderung der Zivilgesellschaft, in: Aus Politik und Zeitgeschichte 74/47-48 (2024), 16. Nov. 2024, S. 41-46; Rolf Mützenich, Plenarrede, Plenarprotokoll 20/157, Stenografischer Bericht, Deutscher Bundestag – 20. Wahlperiode – 157. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. März 2024, S. 20088. www.bundestag.de/dokumente/protokolle/plenarprotokolle. Neitzel schreibt (a. a. O., S. 7): „Die Lage ist ernster als während des Kalten Krieges, als die Sowjetunion zumindest in Europa eine Status-quo-Macht war. Das ist heute anders, und die Wahrscheinlichkeit des Ausbruchs eines konventionellen Konflikts ist deutlich höher. Es ist daher nicht auszuschließen, dass die Bundeswehr in einigen Jahren an der Ostflanke der Nato kämpfen muss.“
[11] Zu Baudissin s. Dagmar Bussiek, Dem Frieden verpflichtet: Wolf Graf von Baudissin (1907-1993) - Die Biografie, Baden-Baden 2021; Wolfgang Schmidt und Rudolf Schlaffer (Hrsg.), Wolf Graf von Baudissin: 1907 – 1993; Modernisierer zwischen totalitärer Herrschaft und freiheitlicher Ordnung, München 2007; Martin Kutz (Hrsg.), Gesellschaft, Militär, Krieg und Frieden im Denken von Wolf Graf von Baudissin, Baden-Baden 2004; Frank Nägler, Der gewollte Soldat und sein Wandel: Personelle Rüstung und innere Führung in den Aufbaujahren der Bundeswehr 1956 bis 1964/65, München 2010.
[12] Mit Verweis auf u.a. auch die unter Baudissins Aufsicht durchgeführten Übungen in den 1960er-Jahren, die auch bei minus 10 Grad und mit möglichst kriegsähnlichen Zuständen stattfanden, fasst Helmut R. Hammerich die Ergebnisse so zusammen: „Einen Widerspruch zwischen Innerer Führung und Einsatzbereitschaft der Bundeswehr zu sehen, geht also an der Realität vorbei.“ Helmut R. Hammerich, „Kerniger Kommiss“ oder „Weiche Welle“? Baudissin und die kriegsnahe Ausbildung in der Bundeswehr, in Wolfgang Schmidt und Rudolf Schlaffer (Hrsg.), Wolf Graf von Baudissin: 1907-1993; Modernisierer zwischen totalitärer Herrschaft und freiheitlicher Ordnung, München 2007, S. 127-137, hier: S. 136.
[13] Christian Ludwig (Ludovici), Teutsch-englisches Lexicon, 2. Aufl. Leipzig 1745, Sp. 2037. Hervorhebung im Original. „Tüchtigkeit oder Tauglichkeit, aptness, fitness, goodness, validity, sufficiency, capacity, ability or ableness.“ Ebd.
[14] Karl Ernst Georges, Ausführliches lateinisch-deutsches Handwörterbuch, 8. Aufl., Hannover 1918 (Nachdruck Darmstadt 1998), 2:3514-3515.
[15] Wolfgang Pfeifer, Etymologisches Wörterbuch des Deutschen, Berlin 2005, S. 1472.
[16] Heinz Karst, Das Bild des Soldaten: Versuch eines Umrisses, 3. Aufl. Boppard am Rhein 1969, S. 18.
[17] Der Begriff „Einsatz“ ist oft präferiert worden, vgl. Jochen Maurer und Martin Rink (Hrsg.), Einsatz ohne Krieg? Die Bundeswehr nach 1990 zwischen politischem Auftrag und militärischer Wirklichkeit. Militärgeschichte, Sozialwissenschaften, Zeitzeugen, Göttingen 2021.
[18] Der russische Krieg gegen die Ukraine und die außenpolitischen Bestrebungen Chinas werfen die Frage auf, ob der Zweite Weltkrieg noch als das „letzte Stadium des Territorialimperiums“ zu verstehen wäre. Vgl. Richard Overy, Weltenbrand. Der große imperiale Krieg, 1931–1945, Berlin 2023, S. 1361.
[19] Friedrich Merz, Impuls, in: Konrad-Adenauer-Stiftung (Hrsg.), Zukunft hat der Mensch des Friedens – Perspektiven einer christdemokratischen Friedenspolitik für unsere Zeit, Berlin 2024, S. 24-42, hier: 27-28.
[20] Zit. nach Heinrich Amadeus Wolff, Kommentar zum Art. 87a, in: Heinrich Amadeus Wolff und Dieter Hömig (Hrsg.), Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland: Handkommentar, 13. Auflage, Baden-Baden 2022, 661-671, hier: 661.
[30] „Ich möchte fragen, was an Appellen überhaupt noch vorgesehen ist. Der letzte Satz sagt uns doch, dass der Soldat erst dann kriegstüchtig ist, wenn er den inneren Dienst ohne Bevormundung in eigener Verantwortung erledigt.“ Burkhard Köster (Hrsg.), Der Bundestagsausschuss für Verteidigung: Der Ausschuss für Fragen der europäischen Sicherheit, September 1954 bis Juli 1955 (Der Bundestagsausschuss für Verteidigung und seine Vorläufer; Band 3), Düsseldorf 2014, S. 233.
[31] Hans-Erich Volkmann (Hrsg.), Der Bundestagsausschuss für Verteidigung: Der Ausschuss zur Mitberatung des EVG-Vertrages Juli bis Dezember 1952 (Der Bundestagsausschuss für Verteidigung und seine Vorläufer; Band 1), Düsseldorf 2006, S. 115. Vgl. auch Bd. 1, S. 222, S. 247, S. 569, S. 773, S. 903; Bd. 2, S. 117, S. 417, S. 1108; Bd. 3 (s.u.), S. 295, S. 540, S. 611, S. 703; Bd. 4 (s.u.), S. 57, S. 89, S. 231-232, S. 397, S. 1069-1072.
[32]Der Bundestagsausschuss für Verteidigung, Bd. 1, S. 303.
[33]Der Bundestagsausschuss für Verteidigung, Bd. 1, S. 423.
[34]Der Bundestagsausschuss für Verteidigung, Bd. 2, S. 570.
[35]Der Bundestagsausschuss für Verteidigung, Bd. 2, S. 571.
[36]Der Bundestagsausschuss für Verteidigung, Bd. 2, S. 624.
[37] Heinz Karst, Denkschrift Karst, 1. Aug. 1955, in: Dorothee Hochstetter und Dieter H. Kollmer (Hrsg.), Der Bundestagsausschuss für Verteidigung: Der Ausschuss für Fragen der europäischen Sicherheit, Ausschuss für Verteidigung Juli 1955 bis Januar 1956 (Der Bundestagsausschuss für Verteidigung und seine Vorläufer; Band 4), Düsseldorf 2017, S. 1069-1073, hier: S. 1073.
[38] Richard Jaeger, Soldat und Bürger – Armee und Staat: Probleme einer demokratischen Wehrverfassung, Hamburg 1956, S. 6; zitiert in: Der Bundestagsausschuss für Verteidigung, Bd. 4, S. 28.
[39] Hans J. Morgenthau, Macht und Frieden: Grundlegung einer Theorie der internationalen Politik, Gütersloh 1963; Christoph Rohde, Reinhold Niebuhr: Die Geburt des Christlichen Realismus aus dem Geist des Widerstandes, Berlin 2016; Andreas Jacobs, Realismus, in: Siegfried Schieder und Manuela Spindler (Hrsg.), Theorien der internationalen Beziehungen, 3. Aufl., Opladen 2010, S. 39–64.
[40] Baudissin, Ernstfall Friede – die vernünftige Konsequenz; Erwiderungen auf Fragen von Cornelia Bührle (1981), in ders., Nie wieder Sieg: Programmatische Schriften, 1951-1981, München 1982, S. 256-271, hier: 259.
[41] Vgl. Brent L. Sterling, Do good fences make good neighbors? What history teaches us about strategic barriers and international security, Washington 2009, S. 77.
[42] Antulio J. Echevarria II, Military strategy: A very short introduction, 2. Aufl., New York 2024, S. 47: „Vegetius’s axiom is surely a warning based on a realist’s view of human nature. However, it also underscores the core principle of deterrence: to discourage aggression, we must appear strong enough to defeat an attack, or at least to make it too costly to be worthwhile.“ Ein moderner Ausdruck der Abschreckungsdoktrin befindet sich auch in George F. Kennans „langem Telegramm“ (22. Feb. 1946). Nach Andreas Rödder hat Kennans Telegramm „nichts von seiner Aktualität verloren.“ Rödder, Der verlorene Frieden, S. 193. Zusammengefasst: „Einem Aggressor klarzumachen, dass die Kosten seiner Aggression deutlich höher ausfallen würden als ihr Nutzen, ist der Kern funktionierender Abschreckung. Sie setzt freilich den entsprechenden Willen und die nötigen Ressourcen voraus, von Rüstungsausgaben und waffentechnischer Ausrüstung bis zur Bereitschaft, im Notfall auch das zu tun, was man angedroht hat, um es nicht tun zu müssen.“ Rödder, Der verlorene Frieden, S. 193f.
[43] Das Zitat vom Vegetius stammt aus Epitoma rei militaris III Prooem. Vgl. Cicero (Philippica 7.6.19: „…si pace frui volumus, bellum gerendum est…) und Livius (s.u.) sowie Publius Syrus (Sententiae 465: …prospicere in pace opertet, quod bellum iuvet…). Karl-Wilhelm Welwei, Res publica und Imperium: Kleine Schriften zur römischen Geschichte, herausgegeben von Mischa Meier und Meret Strothmann, Stuttgart 2004, S. 93.
[46] Michaela Kostial, Kriegerisches Rom? Zur Frage von Unvermeidbarkeit und Normalität militärischer Konflikte in der römischen Politik, Stuttgart 1995. Natürlich ist unsere moderne Bewertung des Krieges aus einer bestimmten Tradition entstanden und zutiefst mit der Geschichte des 20. Jahrhunderts und dem Schrecken des Zweiten Weltkrieges verbunden. In der Antike finden wir ganz andere Vorstellungen, z.B. zur Erotisierung des Krieges und Martialisierung der Erotik in der Antike vgl. Katharina Volk, Penthesileas Kuss: Liebe und Krieg in der Literatur der Antike, in: Marco Formisano und Hartmut Böhme (Hrsg.), War in words: Transformations of war from antiquity to Clausewitz, Berlin 2011, S. 189-208.
[47] Glenn W. Most, War and justice in Hesiod, in: Marco Formisano und Hartmut Böhme (Hrsg.), War in words: Transformations of war from antiquity to Clausewitz, Berlin 2011, S. 13-21, hier: S. 14: „It was not until the advent of Christianity, and above all its establishment as the state religion of the Roman Empire, that the potential contradiction between a professedly universal monotheism on the one hand and the practice of war on the other could become really virulent.“ Nach Augustin sei eigentlich „Frieden das gewünschte Ende des Krieges“, da „jeder Mensch nach Frieden strebt“. Das gilt nach Augustin sogar dann, während ein Mensch „Krieg führt“ („belligerando”). Augustin, De civ. dei, 19.12; Augustine, The City of God against the Pagans, Volume VI: Books 18.36-20, übersetzt von William Chase Greene (Loeb Classical Library 416), Cambridge, Massachusetts 1960, S. 164-165: „Unde pacem constat belli esse optabilem finem. Omnis enim homo etiam belligerando pacem requirit, nemo autem bellum pacificando.“ „It follows that peace is the desired end of war. For every man even in the act of waging war is in quest of peace, but no one is in quest of war when he makes peace.“ Die gleiche Idee finden wir in der vorchristlichen Antike.
[48] „Ostendite modo bellum; pacem habebitis. Videant vos paratos ad vim; ius ipsi remittent.“ Ab urbe cond. 6. 18.7. Aus einer Rede von Manlius; Livy, History of Rome, Vol. III, Books 5–7, übersetzt von Benjamin Oliver Foster (Loeb Classical Library 172), Cambridge, Massachusetts 2014, S. 256-257: „Make but a show of war, and you shall have peace. Let them see you ready to resist, and they will give you your rights of their own accord.“ „Ius ipsi remittent“ kann aber ganz anders übersetzt werden: „…und sie werden auf ihren Anspruch verzichten…“. In der gleichen Passage wird auch eine Leistungstheorie des Freiheitskämpfers formuliert: „Si singuli singulos adgressuri essetis, tamen acrius crederem vos pro libertate quam illos pro dominatione certaturos.“ „If you were going to meet them man for man, I should still believe that you would fight more fiercely for your liberty than they for domination.“ Ebd.
[49] Carl von Clausewitz, Vom Kriege [1832]: Hinterlassenes Werk des Generals Carl von Clausewitz, vollständige Ausgabe im Urtext, drei Teile in einem Band, herausgegeben von Werner Hahlweg, Bonn 1991, S. 634; vgl. Bundesministerium der Verteidigung, Die Tradition der Bundeswehr. Richtlinien zum Traditionsverständnis und zur Traditionspflege („Traditionserlass“) 2018, 1.3; 2.1.
[50] Hans-Jürgen Rautenberg und Norbert Wiggershaus (Hrsg.), Die „Himmeroder Denkschrift“ vom Oktober 1950: Politische und militärische Überlegungen für einen Beitrag der Bundesrepublik Deutschland zur westeuropäischen Verteidigung, 2. Auflage, Karlsruhe 1985, S. 36. Hervorhebung im Original.
[51]Vom künftigen deutschen Soldaten: Gedanken und Planungen der Dienststelle Blank, Bonn 1955, S. 10.
[52] Baudissin, Aus dem Protokoll: Innere Führung des deutschen Beitrages zu den europäischen Verteidigungsstreitkräften, 1951, in ders., Grundwert: Frieden: in Politik - Strategie - Führung von Streitkräften, herausgegeben von Claus von Rosen, Berlin 2014, S. 44. Vgl. Claus von Rosen, Strategie und Innere Führung, in: Uwe Hartmann, Reinhold Janke und Claus von Rosen (Hrsg.), Jahrbuch Innere Führung 2022/23, Berlin 2023, S. 76-89.
[53] Wolf Graf von Baudissin, Das Kriegsbild (62/2), in ders., Grundwert: Frieden, S. 240-256, hier: S. 250.
[55] Aus dem Vortrag von 1962, „Das Kriegsbild“, in Wolf Graf von Baudissin, Soldat für den Frieden: Entwürfe für eine zeitgemäße Bundeswehr, herausgegeben von Peter von Schubert, München 1969, S. 70; vgl. Baudissin, Nie wieder Sieg, S. 19; 64/13; Kriegsbild, 4. 11. 1964.
[56] Wolf Graf von Baudissin, Das Bild des zukünftigen Soldaten (1953), in ders., Grundwert: Frieden, S. 70-82, hier: S. 74.
[57] Wolf Graf von Baudissin, Westeuropäische Sicherheitspolitik der achtziger Jahre (1979), in ders., Grundwert: Frieden, S. 481-492, hier: S. 491.
[58] Wolf Graf von Baudissin, Vortrag vor dem Evangelischen Arbeitskreis der CDU/CSU, Worms, 7. Mai 1955, „Gedankengang des Referates ,Unsere Verteidigungspflicht‘“, in: Christoph Nübel (Hrsg.), Dokumente zur deutschen Militärgeschichte 1945-1990: Bundesrepublik und DDR im Ost-West-Konflikt, Berlin 2019, S. 173.
[60] A.a.O., S. 18. „Ein nur ‚optisches‘ Rüsten, hinter dem nicht der bittere Ernst nüchterner Verteidigungsbereitschaft des ganzen Volkes stände, verfehlte seinen Zweck.“ A.a.O., S. 29. Die Bundeswehr solle ein „schlagkräftiges Instrument in der Hand der politischen Führung sein […]“. A.a.O., S. 403.
[61] Bundesministerium für Verteidigung, Handbuch Innere Führung: Hilfen zur Klärung der Begriffe, Bonn 1957, S. 36. „Vom Frieden her bekommt die Kriegsführung ihren Auftrag und ihre Grenzen.“ A. a. O., S. 59.
[62] Bruno Thoß (Hrsg.), Der Bundestagsausschuss für Verteidigung: Der Ausschuss für Fragen der europäischen Sicherheit, Ausschuss für Verteidigung Januar 1953 bis Juli 1954 (Der Bundestagsausschuss für Verteidigung und seine Vorläufer; Band 2), Düsseldorf 2010, S. 1058-1067, hier: S. 1062.
[63]Der Bundestagsausschuss für Verteidigung, Bd. 2, S. 1063.
[64] Bundesministerium der Verteidigung, Innere Führung: Selbstverständnis und Führungskultur (Zentrale Dienstvorschrift, A-2600/1), Zif. 402.
[65] Der Beauftragte des Bundeskanzlers für die mit der Vermehrung der Alliierten Truppen zusammenhängenden Fragen [„Amt Blank“], Theodor Blank, L/II, Schreiben („Regelung der ‚Inneren Führung‘“), Bonn, 10. Januar 1953, zit. in: Nübel (Hrsg.), Dokumente zur deutschen Militärgeschichte 1945-1990, S. 158, Kursiv im Original; vgl. Claus von Rosen, Wissenschaft und militärische Führung in Baudissins Konzeption Innere Führung, in: Jahrbuch Innere Führung 2013, S. 81-104, hier: S. 89.
[66] Vgl. Bundesministerium der Verteidigung, Politische Bildung (Allgemeine Regelung, A-2620/1); Bundesministerium der Verteidigung, Interkulturelle Bildung (Allgemeine Regelung, A-2620/5).
[67] Bundesministerium der Verteidigung, Innere Führung: Selbstverständnis und Führungskultur (Zentrale Dienstvorschrift, A-2600/1), Zif. 505.
[68] Bundesministerium der Verteidigung, Innere Führung: Selbstverständnis und Führungskultur (Zentrale Dienstvorschrift, A-2600/1), Zif. 7.4.a. Siehe auch das neue Handbuch Innere Führung (2023): „Zum treuen Dienen gehört die Vorbereitung auf den Ernstfall mit der Entschlossenheit, Deutschland und seine Verbündeten zu verteidigen. Damit verbunden sind die Bereitschaft zum Kampf und in letzter Konsequenz die Bereitschaft, das eigene Leben als höchstes Gut zu opfern. Es bedeutet auch, private Einschnitte und Härten hinzunehmen, die eigenen persönlichen Belange unterzuordnen und dadurch für die gemeinsamen Werte einzustehen. Der Soldatenberuf ist eben kein Beruf wie jeder andere. Die Soldatinnen und Soldaten sind mit der Ausübung militärischer Gewalt beauftragt, um Deutschland, seine Bevölkerung und die verfassungsmäßige Ordnung vor Angriffen von außen zu schützen.“ Zentrum Innere Führung, Handbuch Innere Führung, Koblenz 2023, S. 34.
[69] Bundesministerium für Verteidigung, Handbuch Innere Führung: Hilfen zur Klärung der Begriffe, S. 91.
[70] Bundesministerium für Verteidigung, Handbuch Innere Führung: Hilfen zur Klärung der Begriffe, S. 92.
[71] Bundesministerium für Verteidigung, Handbuch Innere Führung: Hilfen zur Klärung der Begriffe, S. 12.
[72] Rautenberg und Wiggershaus (Hrsg.), Die „Himmeroder Denkschrift“ vom Oktober 1950, S. 53. Kursiv im Original.
[73] Rautenberg und Wiggershaus (Hrsg.), Die „Himmeroder Denkschrift“ vom Oktober 1950, S. 53.
[74] Rautenberg und Wiggershaus (Hrsg.), Die „Himmeroder Denkschrift“ vom Oktober 1950, S. 53. Hervorhebung im Original.
[75] Rautenberg und Wiggershaus (Hrsg.), Die „Himmeroder Denkschrift“ vom Oktober 1950, S. 54-55. Hervorhebung im Original.
[76] Ulrich Simon, Die Integration der Bundeswehr in die Gesellschaft: Das Ringen um die Innere Führung, Heidelberg 1980, S. 184.
[77] Wolf Graf von Baudissin, Soldat für den Frieden: Entwürfe für eine zeitgemäße Bundeswehr, S. 172 („Der Soldat in der Welt von heute“ 1957).
[78] Bundesministerium für Verteidigung, Handbuch Innere Führung: Hilfen zur Klärung der Begriffe (1957), S. 100.
[79] Baudissin, Grundsätzliche Weisung über die Aufgaben und Bedeutung der Inneren Führung in den Streitkräften (1955), in ders., Nie wieder Sieg: Programmatische Schriften, S. 54-65, hier: 57. Kursiv im Original.
[80] Wolf Graf von Baudissin, Probleme praktischer Menschenführung in zukünftigen Streitkräften (54/17), in ders., Grundwert: Frieden, S. 126-139, hier: S. 139. Kursiv im Original.
[81] Baudissin im Gespräch mit Ulrich Simon. Simon, Die Integration der Bundeswehr in die Gesellschaft, S. 182. Das Gespräch wurde am 26. Jan. 1976 in Bonn geführt. Mit Verweis auf eine rhetorische Dualität von Samuel Huntington erwähnte Simon im Gespräch mit Baudissin die Konzeption der zivil-militärischen Beziehungen als einen Gegensatz von Babyloniern und Spartanern und fügt hinzu: „Sie haben jetzt praktisch gesagt: im entscheidenden Moment werden die Babylonier schon zu Spartanern werden. Graf Baudissin: ‚Richtig! Richtig!‘“ Simon, Die Integration der Bundeswehr in die Gesellschaft, S. 182. Kursiv im Original.
[82] Immanuel Kant, Zum ewigen Frieden, AA (Akademieausgabe) Bd. 8 (Berlin 1923), S. 356.
[83]In diesem Zusammenhang hebt der Kanzler der neuen Bonner Republik hervor: „Diese Aufgabe wird dem Soldaten vom Volke gestellt; um sie wirksam erfüllen zu können, muß er vom Vertrauen des Volkes getragen sein.“ Vom künftigen deutschen Soldaten: Gedanken und Planungen der Dienststelle Blank, Bonn 1955, ohne Seite. Die Unterstützung der Bevölkerung ist also eine notwendige Voraussetzung eines wirksamen Militärs, und setzt eine Dialogbereitschaft zwischen diesen Instanzen voraus, die die Grundlage des Vertrauens bildet. Vom 1950 bis 1955 hieß die „Dienststelle“ des Ministers Theodor Blank („Amt Blank“): „Der Beauftragte des Bundeskanzlers für die mit der Vermehrung der alliierten Truppen Zusammenhängenden Fragen.“ Im Jahr 1955 wurde sie dann zum „Bundesministerium für Verteidigung“ umbenannt und Theodor Blank zum ersten Verteidigungsminister genannt.
[85] Bezugnehmend auf die Weltkriege des 20. Jahrhunderts schreibt Hartwig von Schubert: „Um jedem Schritt zurück in dunkle Zeiten so weit wie möglich zu wehren, ist es an der Zeit, die gemeinsame Sicherheit auf dem alten Kontinent endlich zum Ziel zu führen.“ Hartwig von Schubert, Den Frieden verteidigen, Stuttgart 2024, S. 170.
[86] Thukydides, Der Peloponnesische Krieg, herausgegeben von Helmuth Vretska und Werner Rinner, Ditzingen 2016, 5.89.
[87] Seneca, Epistles, 95.31: „Non pudet homines, mitissimum genus, gaudere sanguine alterno et bella gerere gerendaque liberis tradere, cum inter se etiam mutis ac feris pax sit.“ „Man, naturally the gentlest class of being, is not ashamed to revel in the blood of others, to wage war, and to entrust the waging of war to his sons, when even dumb beasts and wild beasts keep the peace with one another.“ Seneca, Epistles, Volume III: Epistles 93-124, übersetzt von Richard M. Gummere (Loeb Classical Library 77), Cambridge, Mass. 1925, S. 76-78.
PD Dr. theol. Paul Silas Peterson ist Evangelischer Theologe am Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr in Potsdam und Privatdozent an der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Eberhard-Karls-Universität Tübingen.