Kontroversen in Militärethik und Sicherheitspolitik
Drohnen, Roboter und die Moral des Krieges
Die Art der Kriegsführung ändert sich quasi vor unseren Augen. Die unbemannte Waffentechnik – insbesondere die der Drohnen und Roboter – durchläuft rasante Entwicklungen. Offenbar bewegen wir uns auf einen Punkt zu, an dem das Kampfgeschehen nicht mehr zwischen Menschen, sondern zwischen Maschinen stattfindet. Diese werden zwar noch von Menschen bedient, sind aber zunehmend autonom.
Teilweise wird nun die Auffassung vertreten, diese Entwicklung hin zu immer autonomeren Waffen sei unter moralischen Gesichtspunkten äußerst bedenklich. Die Organisation Human Rights Watch spricht im Zusammenhang mit dem Einsatz derartiger Waffen gar vom „drohenden Ende der Menschlichkeit”. Mein Beitrag vertritt eine andere Sichtweise. Ich möchte zeigen, dass die neuen Technologien in der Gesamtschau trotz einiger Nachteile einen bedeutenden ethischen Fortschritt in der Geschichte der Kriegsführung darstellen. Im Folgenden konzentriere ich mich hauptsächlich auf den Einsatz von Drohnen, da diese in der Debatte um die Veränderungen in der Kriegsführung die größte Aufmerksamkeit erfahren. Was für Drohnen gilt, gilt allerdings mutatis mutandis auch für andere potenziell unbemannte Plattformen wie Fluggeräte, U-Boote oder Panzerfahrzeuge.
Die Vorteile der Drohnen
Drohnen sind nur ein Kriegsmittel unter vielen: Es kommen traditionell Panzer, Kanonen, Luftfahrzeuge und U-Boote zum Einsatz – und nun auch Drohnen. Die Frage nach ihrer moralischen Legitimität gehört demnach in den Bereich des Rechts im Krieg, des jus in bello. Das Argument, der Einsatz von Drohnen werfe Probleme auf, die gravierendere Folgen als andere Kriegsmittel nach sich ziehen, erscheint nur dann schlüssig, wenn Drohnen eine besondere, über den Einsatz konventioneller Waffen hinausreichende Bedrohung für das höchste Gut des jus in bello darstellen, nämlich den Schutz der Zivilisten. Es sei kurz daran erinnert, dass das jus in bello der Kriegsführung zwei grundsätzliche Beschränkungen auferlegt: (a) Zivilisten dürfen niemals direkt angegriffen werden; sowie (b) Werden Zivilisten indirekt angegriffen, muss unverhältnismäßiges Leid verhindert werden. Wie nun ist der Einsatz von Drohnen im Hinblick auf diese Beschränkungen zu werten?
Was das gezielte Töten von Zivilisten angeht, so gibt es selbstverständlich keinen Grund anzunehmen, Drohnen seien gefährlicher als andere Kriegsmittel. Natürlich können Drohnen theoretisch für einen direkten Angriff auf Zivilisten verwendet werden, aber das können Panzer und Flugzeuge auch. Sollte ein Staat beschließen, die Zivilbevölkerung des Feindes direkt anzugreifen (zum Beispiel in einer Situation, für die Walzer den berühmten Begriff supreme emergency [äußerster Notfall] prägte), scheinen Drohnen zudem unter den vielen zur Verfügung stehenden Waffen wahrscheinlich die am wenigsten aussichtsreiche Wahl zu sein.
Betrachten wir nun das Thema Kollateralschäden: Sind Zivilisten durch den Einsatz von Drohnen stärker gefährdet als sonst? Hier sollten wir uns Folgendes vergegenwärtigen: Die Alternative zu einem Drohneneinsatz besteht nicht in einem Verzicht auf Gewalt – was das Risiko für Zivilisten auf null setzen würde. Alternativ kämen vielmehr andere, konventionellere Waffen wie Panzer und Hubschrauber zum Einsatz, die technisch weniger ausgefeilt sind. Der Einsatz dieser ungenaueren Waffen würde jedoch voraussichtlich mehr statt weniger zivile Opfer fordern.
Darauf ließe sich erwidern, unter dem Aspekt des jus in bello sei der Einsatz von Drohnen in den „alten”, herkömmlichen Kriegen zwar tatsächlich nicht besonders problematisch, in den „neuen”, asymmetrischen Konflikten hingegen schon. In asymmetrischen Kriegen, so wird manchmal argumentiert, seien Zivilisten durch Drohnen besonders gefährdet. Ich halte diese Annahme allerdings für unbegründet. Die tatsächliche Alternative zum Einsatz von Drohnen im Kampf gegen Organisationen wie Hamas und al-Qaida sind nämlich nicht friedliche Verhandlungen, sondern weitaus weniger zielgerichtete Maßnahmen. Wenn also der Einsatz tödlicher Waffen in solchen Konflikten (ich beziehe mich hier auf den Fall eines Kriegs, nicht auf Maßnahmen der Rechtsdurchsetzung) grundsätzlich als zulässig betrachtet wird, lässt sich nur schwerlich nachvollziehen, warum Drohnen als besonders bedenklich gelten sollten. (Es versteht sich von selbst, dass auch der Einsatz herkömmlicher Waffen von vornherein ausgeschlossen wäre, wenn tödliche Waffen insgesamt für unzulässig erklärt würden.)
Sicherlich könnten Drohnen missbraucht werden, aber das gilt auch für andere Kriegsmittel. In jedem Fall sollten wir über der Gefahr des Missbrauchs nicht aus den Augen verlieren, wie vielversprechend diese Technik in ethischer Hinsicht ist. Ceteris paribus gilt: Je präziser eine Waffe ist, desto eher entspricht sie den Anforderungen in puncto Zielunterscheidung und Verhältnismäßigkeit.
Dies ist jedoch nicht der einzige ethische Vorteil der Drohnen. Das Risiko für die eigenen Soldaten ist auch wesentlich geringer. Dank der Verfügbarkeit von Drohnen und anderer unbemannter Waffensysteme können – und sollten – Staaten das Risiko für die eigenen Soldaten im Verteidigungsfall stets minimieren. Die Opferzahlen in den Reihen der eigenen Soldaten zu reduzieren ist nicht nur eine Frage der Moral, sondern auch der Vernunft: Zum einen schwächt der Verlust zusätzlicher Soldaten die Widerstandsfähigkeit der Streitkräfte gegenüber dem Feind. Zum anderen schränkt jedes Risiko militärischer Verluste potenziell die Möglichkeit der Staaten ein, ihre Streitkräfte für Militärmissionen einzusetzen.
Wird durch den Einsatz unbemannter Waffen das Risiko für die Soldaten gesenkt, könnte dies zudem die Bereitschaft der Staaten zur Beteiligung an humanitären Interventionen erhöhen. Dadurch würden solche Interventionen hinsichtlich der Gefahren für die entsandten Soldaten sicherlich als weniger problematisch bewertet. Es ist nicht leicht, eine Beteiligung an Kriegen zu rechtfertigen, die dazu dienen, eine andere Nation vor einem Unterdrückungsregime oder drohendem Völkermord zu schützen. Der Einsatz von Drohnen, der das Risiko für die Soldaten erheblich verringert, lässt dieses Problem weitaus weniger schwerwiegend erscheinen.
Ein weiterer Vorteil: Durch die Möglichkeit, effektivere Angriffe mit Drohnen durchzuführen, könnten drohende großflächige Kriege hinausgezögert oder sogar vollständig vermieden werden. Denn gezielte Drohnenangriffe allein könnten schon ausreichen, um den Feind zu einer Abkehr von seinen Angriffsplänen zu bewegen – es müssen keine Truppen mobilisiert und blutige Kämpfe am Boden geführt werden. Und letztendlich sind Drohnen in Herstellung und Einsatz kostengünstiger als bemannte Luftfahrzeuge – so könnten die eingesparten Mittel in wichtige Bereiche wie Bildung, soziale Gerechtigkeit usw. investiert werden.
Ganz offensichtlich bieten Drohnen erhebliche ethische Vorteile:
Unter ansonsten gleichen Umständen erfüllen sie die Anforderungen in puncto Zielunterscheidung und Verhältnismäßigkeit besser als andere Kriegsmittel.
Sie ermöglichen es Staaten, das Risiko für die eigenen Soldaten zu verringern.
Sie schwächen moralische Einwände gegen eine Beteiligung an humanitären Interventionen im Rahmen von Kriegen.
Sie ermöglichen eine effektive Reaktion auf einen wahrgenommenen Angriff ohne die gleichzeitige Inkaufnahme eines großflächigen Kriegs.
Sie sind kostengünstiger als bemannte Kriegsmittel und setzen damit mehr öffentliche Gelder für andere Anliegen frei.
Argumente gegen den Einsatz von Drohnen: eine kritische Betrachtung
(a) Respektloser Tod
Man stelle sich einen Menschen vor, der in seinem Viertel spazieren geht und plötzlich, sprichwörtlich aus dem Nichts, von einer Drohne erschossen wird, die er nicht einmal sehen kann. Jetzt vergleiche man dies mit dem Tod eines Soldaten im Gefechtsfeld. Ganz offensichtlich hat die erste Art von Tod etwas Verstörendes, etwas besonders Respekt- und Würdeloses.
Doch was genau macht eine Tötung durch einen Roboter respektloser als eine Tötung durch einen Panzer oder einen Hubschrauber? Vielleicht erkennt ein Mensch, der einen anderen Menschen tötet, in gewisser Weise – auch wenn dies paradox erscheinen mag – die Menschlichkeit seines Opfers an. Er erkennt das Opfer als Mitmenschen, auch wenn dieser eine Bedrohung für ihn darstellt. Für einen kurzen Augenblick treffen sich diese beiden Menschen sozusagen auf der gleichen Ebene und bestätigen einander ihre Existenz und Menschlichkeit. Gibt hingegen eine Drohne einen Schuss ab und tötet einen Menschen, erfolgt keine derartige Begegnung; die Menschlichkeit des Opfers wird damit in Abrede gestellt. Anders gesagt: Sie erfährt in jedem Fall nicht die verdiente Würdigung.
Dieses Argument ist durchaus ansprechend. Bei näherer Betrachtung überzeugt es mich allerdings nicht. Zunächst einmal ist unklar, inwiefern eine Hubschrauberpilotin „die Menschlichkeit ihres Opfers würdigt”, wenn sie aus der Distanz auf einen Menschen zielt und ihn tötet. Zweitens ist diese Argumentation ja hauptsächlich dann überzeugend, wenn wir uns eine physische Auseinandersetzung zweier Kämpfer vorstellen, die sich gegenseitig ins Gesicht sehen und auf diese Weise die Menschlichkeit ihres Gegenübers anerkennen. Die meisten Gefechte verlaufen jedoch schon lange nicht mehr auf diese Weise. Die Bediener von Marschflugkörpern sehen die Gesichter ihrer Opfer nicht, ebenso wenig wie Piloten oder Panzerfahrer. Die Opfer solcher Angriffe sind nicht weniger „gesichtslos” als die der Drohneneinsätze.
Meine Prämisse war eingangs, dass Argumente gegen den Einsatz von Drohnen stark genug sein müssten, um zu erklären, warum genau diese Waffen ethisch verwerflich sind, ohne dabei gleichzeitig zu implizieren, konventionelle Waffen, deren Legitimität allgemein anerkannt ist, seien ebenfalls ethisch verwerflich.
Da es einer pazifistischen Position nahekommt, konventionellen Waffen die Legitimität abzuerkennen, möchte ich meine Eingangsprämisse die „nicht-pazifistische Prämisse” bzw. „NP” nennen. Die meisten Einwände gegen Drohnen sind meiner Einschätzung nach nicht haltbar, weil sie genau zu dieser Prämisse im Widerspruch stehen.
(b) Unfaires oder „schmutziges” Töten
Vielleicht hat der Eindruck von Würdelosigkeit etwas damit zu tun, dass man diese Art von Tötung als ungerecht empfindet. Zurück zu dem Menschen, der in seinem Viertel spazieren geht und von einer Drohne getötet wird: Man könnte eine solche Tötung als „schmutzigen Kampf” bezeichnen – wohl deshalb, weil das Opfer keine Chance gegen die Drohne hat. Aber das stünde in klarem Widerspruch zu der NP-Prämisse, da Soldaten gegenüber einem F16-Kampfjet oder Langstreckenartillerie ebenso wehrlos sind.
Hier scheint es zwei verschiedene Argumentationslinien zu geben: zum einen die Ungerechtigkeit im Sinne von asymmetrischer militärischer Gewalt, zum anderen die Ungerechtigkeit im Sinne der Tötung des Feindes durch „schmutzige” Waffen und Taktiken. Beide Argumente aber sind vor dem Hintergrund der NP-Prämisse nicht haltbar. Wir brauchen nur einmal zurückzuschauen auf die Vorbehalte, die vor rund einem Jahrhundert gegen U-Boote und Militärflugzeuge oder noch früher gegen die Verwendung der Armbrust vorgebracht wurden. Wir erkennen sofort, wie schwach und wackelig das Argument der Ungerechtigkeit ist. Wir können Drohnen nicht mit der Begründung als Waffen ausschließen, sie seien unfaire oder unehrenhafte Mittel der Kriegsführung – denn dann müssten wir gleichzeitig auch Maschinengewehre (die moderne Version der Armbrust), U-Boote und Kampfjets ausschließen.
(c) Risikoloses Töten untergräbt die Erlaubnis zum Töten im Krieg
Nach Paul Kahn ist die Moral des Rechts in einem Widerspruch gefangen. Einerseits haben Staaten die moralische Pflicht, das Risiko für ihre Soldaten zu minimieren und eine nach Kahns Worten „asymmetrische Situation” herbeizuführen, in der sie ihren Feinden vollkommen überlegen sind. Andererseits höhlt diese Asymmetrie ab einem bestimmten Punkt die Erlaubnis zum Töten im Krieg insgesamt aus. Ich werde erklären, warum. Kahn zufolge haben die meisten Soldaten aufgrund ihrer Jugend sowie aufgrund des Einflusses und Drucks ihrer Kameraden und Vorgesetzten keine moralische Schuld für ihre Beteiligung am Krieg. Was die Frage der Schuld betrifft, seien sie nicht anders als Zivilisten zu beurteilen. Wenn wir voraussetzen, dass das gegenseitige Töten von Kämpfern im Krieg zulässig ist, muss die Schuld also eine andere Grundlage haben. Nach Kahn besteht diese im Prinzip der beiderseitigen Selbstverteidigung: Jede Seite verteidigt sich selbst gegen die Bedrohung, die von der anderen Seite ausgeht. Aber zu sagen, dass jede Seite eine Bedrohung für die jeweils andere Seite darstellt, bedeutet im Grunde, dass jede Partei von der anderen als Risiko wahrgenommen wird bzw. dass beide Seiten im Gefecht einem nicht unerheblichen Risiko ausgesetzt sind. Ist dieses beiderseitige Risiko nicht mehr gegeben, weil das Kräfteverhältnis zwischen den kriegführenden Parteien offensichtlich asymmetrisch ist, greift das Paradigma des Krieges nicht mehr – ebenso wenig wie die daran geknüpfte beiderseitige Erlaubnis zur Tötung feindlicher Kämpfer. Kahn stellt folgerichtig die Frage nach der ethischen Grundlage für das Verletzen moralisch Unschuldiger, wenn ein beidseitiges Risiko nicht mehr vorliegt.
Kahns Erörterung der wechselseitigen Erlaubnis zum Töten im Krieg spiegelt eine weitverbreitete intuitive Annahme wider: Es sei die Bereitschaft zu sterben, die die Erlaubnis zu töten begründe. Wer dagegen lediglich eine Drohne bediene, gehe nicht das Risiko ein, beim Töten zu sterben und könne sich folglich auch nicht auf die in diesem Sinne verstandene Erlaubnis zum Töten feindlicher Soldaten berufen. Je mehr der Krieg also mit Drohnen und Kampfrobotern geführt werde, desto weniger hätten die Bediener dieser Maschinen das Recht, Tod und Zerstörung über ihre Feinde zu bringen.
Das ist ein sehr durchdachtes Argument gegen den Einsatz von Drohnen. Doch ich bleibe skeptisch. Zunächst einmal bleibt der Widerspruch zur NP-Prämisse. So sind die Bediener von Drohnen nicht die einzigen Kämpfer, deren Risiko gleich null ist. Dasselbe gilt für diejenigen, die Artillerie oder Marschflugkörper weit entfernt von ihren Zielen abfeuern. Zudem wären humanitäre Interventionen durch Dritte kaum jemals zu rechtfertigen, wenn das Gegebensein von Risiko eine Bedingung für die Kriegsführung wäre. Nach Kahn wäre demzufolge der einzige Weg zur Bewältigung humanitärer Krisen die Heranziehung der Strafverfolgungsbehörden und keinesfalls der Einsatz militärischer Gewalt.
Fazit
Es gibt noch weitere Argumente gegen den Einsatz von Drohnen, die an anderer Stelle zu erörtern wären. Meiner Ansicht nach reichen die obigen Überlegungen aus, um den ethischen Vorteil des Einsatzes von Drohnen gegenüber konventionelleren Kriegsmitteln zu begründen. Auch wenn bei Annahmen über die Zukunft immer Vorsicht geboten ist, scheinen mir Feldzüge mit Drohnen im Vergleich zu den großen Schlachten der Vergangenheit weitaus menschenwürdiger zu sein. Im Vergleich zu Bomben, Marschflugkörpern und insbesondere Massenvernichtungswaffen könnte die Drohne durchaus als echtes Versprechen auf ethischen Fortschritt in die Annalen der Kriegsführung eingehen.
Prof. Dr. Daniel Statman ist Professor der Philosophie an der Universität Haifa in Israel. Zu seinen Fachgebieten gehören Ethik, Moralpsychologie, Rechtsphilosophie sowie jüdische Philosophie. Zu seinen wichtigsten Veröffentlichungen zählen Monographien und Artikel wie „Moral Dilemmas“, „Religion and Morality“, „State and Religion“, „Moral Luck“ und „Virtue Ethics“. In den vergangenen Jahren hat er diverse Aufsätze im Bereich Krieg und Ethik zu den Themen gezielte Tötung, äußerste Notlagen und Beendigung von Kriegen veröffentlicht. Neben seiner akademischen Tätigkeit war Professor Statman Mitglied verschiedener öffentlicher Ausschüsse, unter anderem des Ausschusses, der für die Überarbeitung des Ethik-Kodexes der israelischen Streitkräfte zuständig war.