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Getrimmt auf Abschreckung und Verteidigung? Der NATO-Gipfel in Madrid und die Zukunft der Allianz

Von Anna Clara Arndt & Göran Swistek

Das sicherheitspolitische Umfeld der NATO hat sich im vergangenen Jahrzehnt drastisch verändert. Russlands zunehmend aggressive Außenpolitik, die Krim-Annexion und der Angriff auf die Ukraine machen eine noch im Strategischen Konzept von 2010 angestrebte Partnerschaft obsolet. Hinzu kommen ein zunehmender globaler Wettbewerb mit China und die bisher unzureichend erfasste Verknüpfung von militärischer Macht mit Fragen der Energie-, Infrastruktur- und Handelssicherheit. 

Das im Juni 2022 verabschiedete Strategische Konzept trägt alldem Rechnung. Im militärischen Bereich wird die 2014 eingeleitete Refokussierung auf Bündnisverteidigung im euroatlantischen Raum mit dem „New Force Model“ auf neue Füße gestellt. Es beinhaltet eine erhebliche quantitative und qualitative Stärkung der Abschreckungs- und Verteidigungskapazitäten. Dabei wird der absehbare Beitritt Schwedens und Finnlands das Bündnis wesentlich stärken, sowohl personell/materiell als auch mit Blick auf operationell regionale Kenntnisse. 

Zugleich schafft das Dokument nach zwischenzeitlichen Verwerfungen den politischen Rahmen für eine andauernde militärische Anpassung der NATO, indem es die Bedrohung durch Russland und das veränderte Sicherheitsumfeld anerkennt; kollektive Verteidigung erhält gegenüber den übrigen Kernaufgaben Priorität. Daneben widmet sich das Strategische Konzept einem ganzen Spektrum aktueller und zukünftiger Herausforderungen, darunter Querschnittsthemen wie der Klimawandel, aber auch Cyberkriegsführung und die Gestaltung des Verhältnisses zu „autoritären Akteuren“, namentlich China. 

Für die Umsetzung der ambitionierten Neuausrichtung bedarf es eines belastbaren gemeinsamen politischen Willens. Dies gilt mit Blick auf die Bereitstellung der erforderlichen Ressourcen, aber auch auf das Ausnutzen des Konsensprinzips zur Durchsetzung eigener Interessen. Was die komplexe Frage der NATO-EU-Kooperation und der Stärkung der europäischen Sicherheitsarchitektur angeht, so ergeben sich aber auch neue Chancen.

Originalartikel