Werte und Normen: Nicht "vermitteln", sondern autonome Aneignung fördern!
Gerhard Kruip erklärt ethische Kompetenz von Soldatinnen und Soldaten für unverzichtbar. Einerseits komme es durch Individualisierung verstärkt auf das Moralbewusstsein des Einzelnen an, andererseits sei der Anspruch an die Urteilsfähigkeit von „Staatsbürgerinnen und Staatsbürgern in Uniform“ generell hoch. Der Gegensatz von Subjektivität und dem Anspruch auf Allgemeingültigkeit moralischer Normen lasse sich aus kognitivistischer Perspektive auflösen: Nur eine vernünftig begründbare Moral, also eine, die nicht nur im Individuum selbst, Traditionen oder Autoritäten begründet liegt, kann von jedem Einzelnen und zugleich von allen als richtig erkannt werden.
Davon ausgehend lassen sich die Dimensionen ethischer Kompetenz umreißen. Die erste ist dem Autor zufolge eine kognitive, argumentative. Sie beinhaltet die Fähigkeit zur Überprüfung von Normen auf Richtigkeit sowie die Analyse konkreter Situationen und die moralische Legitimation von Handlungen. Für beides skizziert der Autor verschiedene geeignete Verfahren. Ergänzt werden müssten diese Teilkompetenzen jedoch zwingend durch emotional-motivationale Aspekte, also gewissermaßen den jeder Reflexion vorgelagerten moralischen Antrieb.
Dieser ließe sich aber nicht mit einem Inhalte und Methoden vermittelnden Unterricht fördern, sondern sei auf Verinnerlichung durch Vorbildhaftigkeit, Förderung und Anerkennung angewiesen. Die entsprechenden Lernprozesse müssten auf einer „offenen, verständigungsorientierten Kommunikation ohne Zwang und Diskriminierung“ basieren. Gerade in einer stark reglementierten und alltäglichen Sachzwängen unterworfenen Organisation wie der Bundeswehr käme es darauf an, so Kruip, solche dem Tagesgeschäft, aber nicht den beruflichen Inhalten enthobenen Freiräume zu schaffen und nach Möglichkeit zu vergrößern.
Originalartikel