Ethische Bildung in der Bundeswehr: Selbstbindung an Werte und moralische Urteilskraft
Bedarf es angesichts der klaren Einschränkungen der Befehlsbefugnis und der bereits bestehenden Bildungsformate wie des Lebenskundlichen Unterrichts überhaupt einer eigenen zentralen Dienstvorschrift zur ethischen Bildung in der Bundeswehr?
Das Ziel, grundlegende Werte unseres Gemeinwesens und einen daraus abgeleiteten soldatischen Wertekanon zu vermitteln, ist in der ZDv „Innere Führung“ deutlich zu erkennen. Matthias Gillner spricht sich klar dafür aus, solche persönlichkeitsbildenden und gemeinschaftsstiftenden Fragen des guten Lebens und die dazugehörigen Orientierungen und Überzeugungen in dem „pluralitätstauglichen“, hierarchie- und beurteilungsfreien Setting des Lebenskundlichen Unterrichts zu behandeln, der einen Raum für das Nacherleben und eine über berufsethische Zusammenhänge hinausgehende Reflexion öffnet.
Den Schwerpunkt seines Beitrags legt der Autor auf die davon abzugrenzende moralische Urteilsbildung, die „Vermittlung von Normen auf einen situativen Kontext“. Diese berufsethische Kompetenz erschöpfe sich allerdings keineswegs in der Kenntnis und Befolgung von Rechtsnormen und Einsatzregeln, wie Gillner an internationalen Beispielen aus der Einsatzrealität von Soldaten illustriert, sondern bestehe gerade in der Vermittlung einer Regel oder einer Norm auf eine konkrete Situation. Dies beinhalte deren möglichst genaue Erfassung, die Ausbildung von Empathie, die Prüfung der Anwendbarkeit von Normen, die Identifikation von Pflichtenkollisionen und die nachvollziehbare Auswahl und Begründung von Handlungen und Unterlassungen durch Kategorisierung von Pflichten und Anwendung von Vorzugsregeln. Zur Vermittlung dieser für wesentlich gehaltenen berufsethischen Kompetenz stehen verschiedene didaktische Methoden zur Verfügung.Dieser Zweiklang aus der „Selbstbindung an Werte und Überzeugungen“ sowie der Schulung des Wahrnehmungs-, Vorstellungs- und Urteilsvermögens mache das Gewissen als persönliche moralische Instanz gerade nicht obsolet, sondern sei als Beitrag zur lebenslangen Gewissensbildung und -überprüfung zu verstehen.
Originalartikel