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Bundeswehr ohne Halt. Zu Fehlentwicklungen der Inneren Führung

Von Elmar Wiesendahl

Die Bundeswehr hat sich grundlegend verändert, das Konzept der Inneren Führung jedoch nicht. Wenn dies nicht zeitnah nachgeholt wird, entwickelt sich das Leitbild der Bundeswehr zum Ladenhüter. Zu diesem Schluss kommt Prof. Dr. Elmar Wiesendahl, ehemaliger Direktor der Führungsakademie der Bundeswehr in Hamburg. Der Strukturwandel der Bundeswehr weg von der territorialen Verteidigungsarmee hin zur Freiwilligen- und Einsatzarmee hat ihren politischen und gesellschaftlichen Standort verändert. Dies hatte gravierende Auswirkungen auf das berufliche Selbstverständnis der Soldaten. Dennoch blieb das alte Leitbild der Inneren Führung unangetastet. „Auch im Einsatz hat sich die Innere Führung bewährt“, so lautet das offizielle Statement der Bundeswehrspitze. 

Hierbei ist nach Wiesendahl ein „Sinnvakuum“ entstanden. Beim Verarbeiten ihrer Einsatzerfahrungen und bei ihrer Suche nach Identität werden die Soldaten allein gelassen. „Offizielle Leitkultur von oben und gelebte Organisationskultur von unten driften auseinander“, so Wiesendahl. Die militärische Führungsebene hält am Leitbild des „Staatsbürgers in Uniform“ fest. Dagegen propagiert eine „Generation Kampfeinsatz“ ein ganz anderes Leitbild: den professionellen Kämpfer mit einer elitären soldatischen Sondermoral. Vorrang vor dem Staatsbürgerlichen hat in dieser Denkschule das Militärhandwerkliche, die militärische „Erziehung und Charakterprägung“. Hier sieht Wiesendahl eine große Gefahr. Es könnte ein neuer idealisierter „Kämpferkult“ mit deutlichen Remilitarisierungs- und Entzivilisierungstendenzen entstehen.

Angesichts dieser aktuellen Entwicklung muss die militärische und politische Führung dringend „Farbe bekennen“, mahnt Wiesendahl. Sie sollte sich in aller Deutlichkeit gegen das irregeführte Leitbild vom elitären Kämpfer positionieren. Glaubwürdig wird dies aber nur dann gelingen, wenn gleichzeitig eine Reformdebatte angestoßen wird. Das Konzept der Inneren Führung muss, so Wiesendahl, an die aktuellen Herausforderungen der Einsatzwirklichkeit angepasst werden. Ein tragfähiges, anforderungsgerechtes und sinngebendes Leitbild „Einsatzsoldat“ ist seiner Meinung nach nötiger denn je.

Originalartikel