Gibt es ein Recht auf militärische Gewalt unterhalb der Schwelle zum Krieg? Neue Technologien und die Debatte um das ius ad vim
Technisch gesehen weisen ferngesteuerte Drohnen und „autonome“ Waffensysteme wesentliche Unterschiede auf. Allerdings verspricht man sich in beiden Fällen einen „präziseren“ Einsatz von potenziell tödlicher Gewalt. Für die Rechtfertigung der Nutzung solcher Technologien muss zum einen der soziale Kontext, in dem sie zum Einsatz kommen, mitbedacht werden. Zum anderen lassen sich pauschale Rechtfertigungen oder Verbote meist weder anhand einschlägiger Rechtsnormen noch anhand voraussetzungsreicher deontologischer Argumentationen überzeugend begründen. Die Nutzung solcher Technologien ist daher vielmehr an die Frage der Legitimation militärischer Gewalt schlechthin zu knüpfen.
Neben definitorischen Schwierigkeiten werfen neueste waffentechnologische Entwicklungen erhebliche Probleme auf, etwa die Nutzung als Massenvernichtungswaffen oder die mögliche Proliferation von „Killerdrohnen“ mit Gesichtserkennungssoftware. Solange sich jedoch auch moralisch akzeptable Einsatzmöglichkeiten denken lassen, stellt sich die Frage, welcher normative Rahmen diese Fälle regeln kann und soll.
Um Staaten gerade in Fällen von terroristischen Angriffen unterhalb der Schwelle von Krieg mehr Optionen zu geben, wurde das von Michael Walzer angeregte Konstrukt des ius ad vimentwickelt. Dieses erweist sich jedoch in mehrfacher Hinsicht als bedenklich. Durch seine spezifische Verortung in der traditionellen Just-War-Theorie ist es stark der Idee staatlicher Autorität (als einzig legitimer) verhaftet und bleibt hinter revisionistischen Ansätzen zurück. Das damit einhergehende Problem, dass de facto ein Recht zugunsten technologisch befähigter Staaten zementiert wird, wird weder durch das neu integrierte Prinzip „maximaler Zurückhaltung“ noch durch das – nur scheinbar genügsame – Ziel eines „truncated victory“ entschärft. Vielmehr muss gefragt werden, ob die auf diesem Wege legitimierte Nutzung eines technologischen Vorteils und die Tendenz zur „Entfernung“ eigener Truppen aus dem Konflikt nicht einen latenten Dauerkonflikt schürt.
Originalartikel