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Mannbarkeitsriten – Gewaltrituale, sexuelle Übergriffe und Rechtsextremismus in der Bundeswehr

Von Rolf Pohl

Zu den Bundeswehrskandalen der jüngeren Zeit gehören vor allem anstößige, grenzverletzende Rituale, mit denen Zugehörigkeit, Kameradschaft und Verlässlichkeit erzeugt und gefestigt werden sollen. Auffällig ist, dass diese Aufnahme- und Härterituale häufig mit sexuellen Übergriffen und rechtsextremistischen Vorfällen einhergehen.

Diese inszenierten und insbesondere für die Aufnahmekandidaten demütigenden, gewaltförmigen und oft rechtswidrigen Rituale stehen in fundamentalen Gegensatz zu den Leitbildern der Inneren Führung. Das hier in einer besonderen Weise zum Ausdruck kommende Ideal einer kampf- und kriegsbereiten militärischen Persönlichkeit ist aber immer schon Teil des militärischen Selbstverständnisses und Ziel der militärischen Sozialisation der Bundeswehr gewesen. Insofern handelt es sich um die extreme, pervertierte Spitze eines Eisbergs und nicht um bedauerliche, allerhöchstens disziplinarrechtlich zu ahnende Einzelfälle, die mit der Struktur der Bundeswehr nichts zu tun haben.

In dem Aufsatz wird aus einer sozialpsychologischen und geschlechtertheoretischen Perspektive der Frage nach den tieferen Ursachen dieser Rituale und ihrer Nähe zu den Initiationsriten in sogenannten „Stammesgesellschaften“ nachgegangen. Dabei wird die These vertreten, dass diese Rituale als Versuch einer hypervirilen, einer überbetont männlichen Selbstinitiation zu verstehen sind, die von dem mehr oder weniger unbewussten Wunsch nach Herstellung und Abhärtung einer kampf-, tötungs- und opferbereiten Gruppenmännlichkeit getragen ist. Die Härteprägung soll dabei durch die körperbetonte Überwindung der als nicht männlich, schwach und weiblich geltenden Zivilität erfolgen. Zusammen mit sexistischen und rechtsextremistischen Vorfällen weisen diese rituellen Exzesse auf eine gewisse Renaissance des archaischen Kriegerbilds und damit auf die Grenze der Geltungskraft eines staatsbürgerlich getragenen soldatischen Ethos in der Bundeswehr hin.

Originalartikel