Zum Hauptinhalt springen

Das Coronavirus und die globale solidarische Wohltätigkeitsethik

Von Peter Turkson

In der global vernetzten Welt ist die Coronapandemie die größte Herausforderung für die Menschheit seit dem Zweiten Weltkrieg. In den kapitalistischen westlichen Industrienationen mit ihren hoch entwickelten Gesundheitssystemen hat sie eine Situation geschaffen, in der in nie da gewesener Weise über das Recht und die Freiheit zu leben und über die umfangreiche Beschneidung bürgerlicher Rechte entschieden werden muss. 

Die freiheitlichen-demokratischen Gesellschaften der Moderne verstehen den Staat als Diener des Individuums und seines Strebens nach Glück. Bezüglich einer grundlegenden Zweckbestimmung der individuellen Freiheit entsteht so jedoch ein Vakuum, das – wie beispielsweise in Deutschland mit dem Bezug auf die Menschenwürde in Artikel 1 des Grundgesetzes – gefüllt werden muss. 

Bereits Papst Benedikt XVI. hat darauf hingewiesen, dass der Mensch die Verantwortung trägt, Krisen nicht resigniert hinzunehmen, sondern hoffnungsvoll umzusteuern. Übertragen auf die Coronapandemie erschöpft sich damit die Aufgabe des Staates nicht in einem Ausgleich konkurrierender Freiheitsrechte. Gerade in einer sozialen Marktwirtschaft wie der deutschen hat die Krise die  Rückbesinnung auf die Bedeutung von Solidarität, der sich daraus ergebenden Ordnung individueller Freiheiten und der gemeinwohlorientierten Ressourcenverteilung nicht nur im Gesundheitssektor, sondern ebenso beispielsweise für einen wirksamen und effizienten Klimaschutz befördert. Aus dem Bewusstsein der eigenen Vulnerabilität kann so eine weltumspannende solidarische Nächstenliebe im Sinne der jüngsten Enzyklika von Papst Franziskus erwachsen.

Originalartikel