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Hybride Angriffe erfordern umfassende Verteidigung

Von Bastian Giegerich

Neu am hybriden Krieg ist die unmittelbare Relevanz für die Sicherheit Europas. NATO und EU arbeiten an Strategiepapieren, denn laut Dr. Bastian Giegerich sind nicht nur europäische Sicherheitsinteressen bedroht, sondern die gesamte euro-atlantische Sicherheitsordnung.

Aus europäischer Sicht erlebt Europa derzeit hybride Angriffe aus zwei Richtungen. Die Akteure agieren sehr unterschiedlich, und doch verfolgen sie gleiche Ziele wie das Erringen psychologischer und physischer Vorteile. In diesem Wettkampf unterscheidet sich hybride Kriegführung nicht wesentlich von anderen bewaffneten Konflikten. Wladimir Putins Pläne einer Weltmacht sind mit dem Regelwerk und der Wertestruktur europäischer Sicherheitsinstitutionen ebenso unvereinbar wie die Menschenverachtung des sogenannten Islamischen Staates (IS).  

Ob die NATO solide genug ist, Sicherheit weiterhin garantieren zu können, ist derzeit offen. Europa steht vor einer großen Herausforderung, wirksame Gegenstrategien zu bilden und schnellstens zu etablieren. So braucht es beispielsweise eine Implementierung strategischer Kommunikation als Mittel gegen Desinformation. Ein weiteres Problem, so Giegerich, wird dabei sein, die nationalen Zuständigkeiten zu klären und die Arbeitsteilung zwischen NATO, EU und anderen Organisationen zu koordinieren. Vor allem geht es gleichzeitig um die Stärkung der hochbeworbenen Resilienz. Damit diese gebildet werden kann, fordert Giegerich z.B. die systematische Erfassung von Verwundbarkeiten durch hybride Bedrohungen. Um schnell reagieren zu können, brauche es eine Zuständigkeit für Abwehr. Auf nationaler und internationaler Ebene sind seiner Meinung nach die zur Verfügung stehenden Instrumente noch unzureichend miteinander verbunden, um Früherkennung oder die Erstellung eines Lagebildes zu ermöglichen. Kleinste Signale, die auf einen hybriden Angriff hindeuten, könnten durch einen Abgleich erfolgen.

Im Bereich der konventionellen militärischen Abschreckung kommt der dauerhaften Stationierung von hochwertigen NATO-Kräften, laut Giegerich, hohe Relevanz zu, insbesondere für gefährdete Mitgliedstaaten. NATO-Mitgliedstaaten sollten jedoch durchaus durch militärische Übungen demonstrieren, dass sie gewillt sind, sich zu verteidigen. Für Giegerich ist auch das eine gezielte Form der Kommunikation, die außerdem unmittelbaren militärischen Nutzen brächte und zur Abschreckung beitrüge. 

Die Schwierigkeit für Europa, hybride Bedrohungen wirksam abzuwehren, liegt unter anderem darin begründet, dass adäquat auf den entsprechenden Konflikt reagiert werden muss, ohne aber dessen Charakterzüge zum eigenen Handlungsmaßstab zu machen. Dies erfordert einen Strategiemix zahlreicher Maßnahmen, so Giegerich, wie etwa der Integration von Mitteln der Diplomatie, der Medien- und Nachrichtendienste, der Wirtschaft, Polizei, Justiz, und Streitkräfte sowie Recht und Ethik. Dies ist keine reine NATO-Aufgabe, sondern eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung. 

Originalartikel