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Medizin als Waffe – die Ethik von Winning Hearts and Minds-Einsätzen

Von Sheena M. Eagan Chamberlin

Seit Jahrzehnten ist das medizinische Personal innerhalb der US-Streitkräfte in strategische Maßnahmen eingebunden. Das „Medical Civic Action Program“ (MEDCAP) zielt darauf, bei Einsätzen in Konfliktgebieten außerhalb der USA das Vertrauen der lokalen Bevölkerung zu gewinnen und eine positive Einstellung gegenüber den US-Truppen zu bewirken.

Diese Instrumentalisierung von Militärmedizinern stößt, so Dr. Sheena M. Eagan Chamberlin, auf Kritik von außen und in zunehmenden Maße auch von innen. Für das betroffene Personal ergeben sich aus der Einbindung in militärstrategische Planungen moralische und ethische Konflikte, die teils zu offener Opposition, teils zum vorzeitigen Rückzug aus den Hilfsprogrammen geführt haben.

Die im Rahmen von umfassenden Leitfadeninterviews befragten Veteranen, Pensionäre, aktiven Militärärzte benannten unter anderem folgende Defizite: Mobile Hospitäler werden nicht an Orten der größten Not, sondern an strategisch wichtigen Punkten errichtet und gleichzeitig als Aufklärungsposten genutzt, was das Vertrauensverhältnis zur Bevölkerung belastet. Die Ärzte können oft nur Symptome statt Ursachen behandeln. Eine dauerhafte Therapie nebst Nachsorge ist nicht vorgesehen. Unter den Patienten der MEDCAP-Ärzte sind naturgemäß viele Kinder; weil jedoch die medizinische Ausstattung allein den Bedürfnissen der Armee folgt, fehlen spezielle Medikamente für diese Altersgruppe. Kurz: Das ärztliche Ziel der Rekonvaleszenz wird unter dem Diktat militärischer Zielsetzungen nachrangig. 

Die Interviewpartner berichteten jedoch auch von positiven Erfahrungen. In ihrer Auswertung empfiehlt Chamberlin, Hilfseinsätze von Medizinern statt von Militärführern planen und leiten zu lassen. Ferner regt sie an, regelmäßig Schulungen für das medizinische wie auch für das militärische Führungspersonal durchzuführen, um die ethischen Aspekte zu reflektieren, eine wirkungsvolle Gesundheitsversorgung zu gewährleisten und dem beteiligten Personal moralische Zwangslagen zu ersparen.

Originalartikel