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Hilfe für Verwundete – eine zentrale Pflicht der Menschlichkeit

Von Paul Bouvier

Militärärzte und Sanitäter sind ethisch verpflichtet, Kranke und Verwundete zu versorgen, ohne zwischen Freund und Feind zu unterscheiden. Für Dr. Paul Bouvier ist diese Verpflichtung ein zentrales Gebot der Menschlichkeit, das unter keinen Umständen aufgeweicht werden darf. Sonst drohen katastrophale Folgen: Patientenausbeutung und Missbrauch oder sogar die Beteiligung von Ärzten an Folter.

Seit über 150 Jahren ist die Rettung und Versorgung von Verwundeten und Kranken eine im humanitären Völkerrecht verankerte Verpflichtung. Menschlichkeit, Unparteilichkeit, Unantastbarkeit und funktionale Unabhängigkeit der Helfer sind zentrale ethische Grundlage für die Militärmedizin und humanitäre Hilfseinsätze in Kriegsgebieten. Auch im Krieg sind Ärzte und Pflegekräfte ihren Patienten zu unbedingter medizinischer Loyalität verpflichtet. Dies schließt auch die ärztliche Schweigepflicht mit ein. Bouvier gibt zu, dass dieses Gebot in den gegenwärtigen Krisen und Konflikten emotional sehr herausfordernd sein kann. Wenn medizinische Helfer etwa Straftäter oder Terroristen versorgen sollten, führe dies oft zu widersprüchlichen Gefühlen. Dennoch dürften, so Bouvier, Emotionen medizinische Entscheidungen nicht beeinflussen. Genauso wenig könne Gemeinschaftsgefühl rechtfertigen, dass Kameraden bevorzugt behandelt würden. Auch sei es nicht zulässig, dass die Verpflichtungen und die Loyalität, die (Militär-)Ärzte ihren jeweiligen Arbeitgebern gegenüber haben, die Patientenversorgung berührten. Medizinische Hilfe dürfe niemals strategischen, politischen oder geheimdienstlichen Zielen untergeordnet werden.

Bouvier begegnet den Spannungen, in denen Ärzte und Sanitäter im bewaffneten Konflikt regelmäßig stehen, mit einem ethischen Ansatz. Er fordert von den Entscheidungsträgern, unparteiische Hilfe für Menschen in Gefahr als unverzichtbaren ethischen Imperativ anzuerkennen und dafür zu sorgen, dass medizinisches Personal funktional unabhängig von Politik und Militär agieren kann. Wesentlich ist für Bouvier darüber hinaus eine fundierte medizinethische Ausbildung für Militärärzte und Sanitäter. Diese kann dabei helfen, widersprüchliche Emotionen zu bewältigen und davor schützen, den Gegner zu „verteufeln“ oder ihm gar seine Menschlichkeit abzuerkennen. Wer im verwundeten Gegner auch einen Mitmenschen in Not erkennen kann und allen Umständen zum Trotz Hilfe leistet, so Bouviers Resümee, gibt ein Beispiel für gelebte Menschlichkeit.

Originalartikel