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Es vergeht kaum ein Tag, an dem nicht über Terrorismus oder terroristische Anschläge in aller Welt berichtet wird. Die zahlreichen Berichte über und Bilder von Toten und Schwerverletzten schockieren und verunsichern uns. Verstärkt wird dieser Umstand durch die Tatsache, dass auch Deutschland in den vergangenen Monaten von terroristischen Anschlägen heimgesucht wurde. München, Würzburg, Ansbach, kurz vor Weihnachten 2016 Berlin und zuletzt die Messerattacke von Hamburg haben im öffentlichen Bewusstsein Spuren hinterlassen. Indes, eine Hysterie der deutschen Öffentlichkeit blieb aus. 

Dabei ist politischer Terrorismus generell und in Bezug auf die Bundesrepublik Deutschland kein neues Phänomen. Es war der politische Terror der Roten-Armee-Fraktion (RAF) in den siebziger und achtziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts, der politische Klasse und Öffentlichkeit in Atem hielt.  Allerdings, so schien es, war es „unser“ Terrorismus, ein sozusagen „nationaler Terrorismus“, und er schien beherrschbar. Gegner und Absichten waren überwiegend klar. Auch war man sich ziemlich sicher, dass dieses Phänomen irgendwann wieder verschwindet. Die RAF löste sich nach weit über einem Vierteljahrhundert andauernden Kampfes gegen die Gesellschaftsordnung der Bundesrepublik Deutschland im Frühjahr 1998 auf. Es handelte sich hierbei jedoch, wie dargestellt, um nationalen Terrorismus, im Wesentlichen beschränkt auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland. Ähnliche terroristische Phänomene konnten beispielsweise auch in Spanien, Italien, Frankreich oder Irland beobachtet werden. 

Im Vergleich zu diesen terroristischen Bedrohungen der Vergangenheit ist nicht zu übersehen, dass der transnationale Terrorismus in den vergangenen zwei Dekaden an erheblicher Dynamik gewonnen hat. Für unseren Staat, aber auch für unsere Verbündeten und Partner in Europa und in der Welt stellt der transnationale Terrorismus eine erhebliche sicherheitspolitische Herausforderung dar. Längst nicht mehr auf einzelne Staaten oder Regionen beschränkt, hat er sich in den vergangenen zehn Jahren global entwickelt und greift auch bis zu uns in das Zentrum Europas aus. Dabei machen sich Terrororganisationen, die selbstverständlich global vernetzt sind, Staatszerfalls­prozesse zunutze. Im Chaos dieser Abwicklung von Staatlichkeit finden sie den idealen Rückzugs- und Entfaltungsraum, nicht selten auch ein Machtvakuum, das sie füllen und durch das sie ihrerseits eine Terrorherrschaft errichten und etablieren können. So lassen sich Beispiele in einigen Staaten des sogenannten Krisenbogens, geradezu lehrbuchmäßig beispielsweise in Somalia, finden. Über die Nutzung von digitaler Technik, Internet, Mobiltelefonen und den weltumspannenden sozialen Medien ist es Terrororganisationen leichter möglich, Anhänger zu gewinnen, die Gefolgschaft zu festigen, ihre Propaganda einer maximalen Anzahl an Rezipienten zugänglich zu machen und darüber hinaus auch noch Anschläge zu planen und auszuführen. Verwoben mit der ebenfalls global agierenden Organisierten Kriminalität verfügen Terrororganisationen über nahezu unerschöpfliche finanzielle Möglichkeiten – eine wesentliche Voraussetzung, um global agieren zu können. Ihre finanziellen Transaktionen sind schwer nachweisbar, geschweige denn nachzuverfolgen, und dies stellt die internationale Gemeinschaft vor massive Herausforderungen.

Neben der in den frühen 1990er-Jahren gebildeten Al-Kaida und ihren Ablegern ist der sogenannte Islamische Staat (IS) in das nach dem Rückzug der USA und Großbritanniens entstandene Sicherheits- und Machtvakuum im Irak eingedrungen – mit bekanntermaßen fatalen Folgen, auch bezogen auf den Krieg in Syrien. Die Absicht des IS ist klar: Er möchte eine überre­gionale Präsenz, ein Kalifat, nicht nur im Nahen und Mittleren Osten, sondern auch in Nordafrika etablieren. Eine menschenverachtende Ideologie, gepaart mit rückwärtsgewandter Intoleranz und archaischer Gewalt, macht diese Terrororganisation zu einer enormen Herausforderung und kennzeichnet insbesondere die Gefahr, die inzwischen auch bei uns in Europa und sogar in der Bundesrepublik Deutschland angekommen ist, wie eingangs bereits angemerkt wurde. 

Der IS generiert seine Einnahmen hauptsächlich durch „Abgaben“ und Erpressung der Bevölkerung sowie durch Gelder aus Banktresoren in den durch ihn besetzten Gebieten. Des Weiteren verdient der IS durch Ausbeutung natürlicher Ressourcen (vor allem Öl), was jedoch seit ge­zielten Koalitionsangriffen auf die Ölinfrastruktur und erheblichen territorialen Verlusten nur noch in vermindertem Ausmaß möglich ist. Daneben, allerdings deutlich geringer in der Höhe, werden Einnahmen aus dem Verkauf von Kulturgütern, aus Lösegelderpressungen und über ausländische Spender – auch in Form von durch ausländische Kämpfer mitgeführten Geldern – erwirtschaftet. 

Die Abwicklung von Beschaffung, Transfer und Verteilung der Finanzen findet zu einem erheblichen Teil außerhalb des legalen Banken- und Finanztransfersektors statt (z. B. Hawala-System, Bargeldkuriere) und ist somit für Sicher­heits­behörden nur schwer nachvollziehbar.

Doch wie beherrscht man dieses Phänomen, den transnationalen Terrorismus, der keine Sprachbarriere, keine Ländergrenzen, keine Entfernungen kennt? Diesen Terrorismus, der so perfide, so menschenverachtend daherkommt?

Der frühere amerikanische Präsident George W. Bush wählte nach dem 11. September 2001 den militärischen Superlativ und rief den global war on terror aus. In der damaligen Situation folgerichtig, warnten viele davor, dass die westliche Welt einen langen Atem bei der Bekämpfung des internationalen Terrorismus haben müsse. Diese Warnung hat sich inzwischen als richtig erwiesen.

Im aktuellen Weißbuch 2016 hat die Bundesregierung ausbuchstabiert, welchen Ansatz sie für die effektive Bekämpfung des transnationalen Terrorismus als sinnvoll erachtet. Zunächst bedarf es, wie in anderen Politikfeldern auch, der internationalen, europäischen und trans­atlantischen Zusammenarbeit. Der Einsatz po­­litischer, juristischer, nachrichtendienstlicher, po­­li­zeilicher und militärischer Mittel ist hierbei geboten. Darüber hinaus sind neben der Ge­fahrenabwehr umfassende Maßnahmen notwendig, um bei der Auseinandersetzung mit den ideologischen, fanatisch-religiösen, gesellschaftlichen und sozioökonomischen Ursachen von Radikalisierung und Terrorismus erfolgreich zu sein.1

Im Bereich der Terrorismusbekämpfung muss der Unterschiedlichkeit der terroristischen Gewaltakteure unbedingt Rechnung getragen werden. Dies bedingt jeweils akteursbezogene Gegenstrategien. Dennoch gibt es akteurs­unabhängige Grundsätze der Terrorismusbekämpfung. Konkret zu nennen wäre etwa die Austrocknung von Finanzquellen der Terror­organisationen, was zu deren nachhaltiger Bekämpfung unerlässlich ist. Dazu wiederum ist eine aktive Rolle der Partner in der Region von zentraler Bedeutung. 

Mit Resolution 2253 (2015) beschloss der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen (VNSR) die Stärkung des IS-Al-Kaida-Sanktionsregimes und legte damit klaren Fokus auf die Bekämpfung des IS sowie die Eindämmung der Terrorismusfinanzierung. International setzt die Financial Action Task Force die maßgeblichen Standards zur Bekämpfung von Terrorismusfinanzierung, auch in der Umsetzung der VNSR-Resolutionen. Die Bundesregierung hat zur Umsetzung der VNSR-Resolutionen und der Empfehlungen der Financial Action Task Force das Strafgesetzbuch um den Paragrafen 89c ergänzt, der alle Formen der Terrorismusfinanzierung unter Strafe stellt.

Daneben erfolgt die Erörterung von Bekämpfungsansätzen, Strategien und bereits implementierten Verfahrensweisen zur Bekämpfung der Terrorismusfinanzierung auf unterschiedlichsten Ebenen, beispielsweise im Auftrag der G7-Außenminister in der Roma-Lyon-Gruppe und des Global Counterterrorism Forum sowie im Rahmen der Anti-IS-Koalition in der Counter ISIL Finance Group unter Kovorsitz der USA und Italiens. Deutschland nimmt auch hier eine ak­tive Rolle ein.

Die Europäische Union hat in ihren Antiterrorstrategien (Ratsschlussfolgerungen Oktober 2014 und Februar 2015) sowie der Regionalstrategie gegen den IS (März 2015) festgelegt, externe Antiterrormaßnahmen (auch gegen Terrorismusfinanzierung) zu verstärken. Bei Antiterrordialogen der EU, u. a. mit Staaten der MENA2-Region, wird die Bekämpfung von Terrorismusfinanzierung regelmäßig thematisiert. Die Europäische Kommission legte jüngst einen Aktionsplan zur Bekämpfung der Terrorismusfinanzierung vor, mit Vorschlägen u. a. zu Regulierung virtueller Währungen, gemeinsamen Standards zum Umgang mit nicht kooperierenden Drittstaaten, Vorhaltung nationaler Bankkontenregister, Maßnahmen gegen illegalen Handel mit Kulturgütern und Prüfung des Mehrwerts eines EU-internen Terrorist Financing Tracking Program. Derzeit sind diese Vorschläge gemeinsam mit dem Militärstab der Europäischen Union in Abstimmung und Konkretisierung.

Die EU setzt die VNSR-Sanktionslistungen der IS-Al-Kaida- und Taliban-Sanktionsregime in europäisches Recht um. Dies gilt dann in Deutschland unmittelbar. Die IS-Al-Kaida-Sanktionen wurden im vergangenen September durch ein EU-autonomes IS-Al-Kaida-Sank­tionsregime ergänzt, das derzeit jedoch noch keinen Anhang hat (Leerbeschluss). Die EU verfügt zudem ergänzend über ein eigenes Terrorismus-Sanktionsregime auf Grundlage des Gemeinsamen Standpunkts 931/2001 (CP931), in dem 13 Personen und 21 Organisationen gelistet sind. Verhängt werden Vermögenseinfrierungen.

Was leitet sich für die Bundesrepublik Deutschland aus all dem ab, wie gedenken wir dieser Herausforderung zu begegnen?

In Deutschland und bei den Partnern in der Europäischen Union wird ein ganzheitlicher Ansatz verfolgt, in dem neben polizeilichen und Strafverfolgungsmaßnahmen Präventionsaspekte einen großen Raum einnehmen.

In unmittelbarer Folge der Veröffentlichung des Weißbuchs 2016 ist zum Beispiel schon Ende Juli 2016 das Gesetz zum besseren Informa­tionsaustausch bei der Bekämpfung des internationalen Terrorismus in Kraft getreten. Es schafft die Voraussetzungen für einen verbesserten Informationsaustausch der Sicherheitsbehörden – national und insbesondere auch international. 

Nach den terroristischen Anschlägen in Deutschland stellte die Bundeskanzlerin einen Neun-Punkte-Plan zur Terrorabwehr vor. Dieser beinhaltet ein Frühwarnsystem bei Hinweisen auf Radikalisierung, mehr Personal, Schaffung einer zentralen Stelle für Informationstechnik im Sicherheitsbereich, Einbeziehung der Bundeswehr in Übungen terroristischer Großlagen, Forschung und Prävention, Vernetzung bestehender Dateien auf EU-Ebene, Verabschiedung des neuen europäischen Waffenrechts, engere Kooperation der Nachrichtendienste und verstärkte Anstrengungen zur Rückführung. 

Bundesinnenminister Thomas de Maizière­ stell­te im August 2016 ein Sicherheitspaket vor, um die Gefahr terroristischer Anschläge in Deutschland einzudämmen: mehr Personal für Sicherheitsbehörden, Verschärfungen des Aufenthaltsrechts, Strafbewehrung von Terrorwerbung, Schnellverfahren für straffällige Ausreisepflichtige, Verschärfung des Ausländerrechts. Für die Verfolgung von Kriminellen im Dark­net werden verdeckte Ermittler gezielt illegalen Waffenhandel oder Kommunikation zwischen Terroristen aufklären. Die Große Koalition be­schloss dieses Paket im Bundestag gegen die Stimmen der Opposition.

In Deutschland werden außerdem umfängliche Programme zur Deradikalisierung realisiert, die auch den internationalen Partnern als Best Practices erläutert werden. Dazu zählen die Beratungsstelle Radikalisierung beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, die Clea­ringstelle Präventionskooperation zur Förderung der Zusammenarbeit zwischen Polizei und Muslimen und die Arbeitsgruppe Deradikalisierung im Gemeinsamen Terrorismusabwehrzentrum für Erfahrungsaustausch zwischen Bund und Ländern. Seit Juni 2015 gelten in Deutschland zudem eigene Straftatbestände für Reisen in terroristischer Absicht sowie Terrorismus­finanzierung, zudem wird Ausreise von Gefährdern durch Einführung eines Ersatz-Personalausweises erschwert. 

Das Bundeskabinett hat zudem am 13. Juli 2016, zeitgleich mit dem Weißbuch 2016, eine „Strategie der Bundesregierung zur Extremismusprävention und Demokratieförderung“ verabschiedet, mit der auch die Forderung des damaligen Generalsekretärs der Vereinten Nationen in seinem Mitte Januar 2016 vorgestellten und von der Bundesregierung begrüßten „Aktionsplan zur Verhinderung des gewalttätigen Extremismus“ umgesetzt wurde.

Der Generalbundesanwalt führt aktuell knapp 120 Verfahren mit über 180 Beschuldigten im Zusammenhang mit dem Bürgerkrieg in Syrien wegen Mitgliedschaft in oder Unterstützung einer terroristischen Vereinigung. Dabei handelt es sich meist um Fälle mit Verbindungen zum IS. Inzwischen sind erste Gerichtsverfahren abgeschlossen.

„Es geht nach den Massakern von New York, Boston, Paris, Madrid, Brüssel, London, Istanbul, Nizza, Würzburg und Ansbach – die Reihe wird beinahe wöchentlich länger –, nach den hitzigen Revierkämpfen verfeindeter Islamisten in Syrien, Irak, Afghanistan, Libyen und rund um Israel nicht mehr um Einzeltäter. Wer ‚Terroranschlag‘ sagt, will verharmlosen. Die Situation ist fataler und größer, als die Betroffenheitsadressen der westlichen Regierungschefs vermuten lassen. Wir sind nicht Opfer einer chaotischen Abfolge von Terroranschlägen, wir sind Beteiligte eines globalen Krieges.“3

Vielleicht überzeichnet der Journalist Gabor Steingart in der gerade angeführten These. Vieles spricht allerdings dafür, dass das Phänomen Terrorismus bleiben und nicht mehr weggehen wird – vor allem im internationalen Kontext. Gegen Ideologie und Dogmatik helfen zuerst Aufklärung und Bildung. Beides ist, ebenso wie Sicherheit, nicht zum Nulltarif zu haben. Gleichzeitig müssen wir uns auch eingestehen, dass viele Maßnahmen in fragilen oder gescheiterten Staaten aus unterschiedlichsten Gründen nicht wirklich greifen. Daher gibt es in viel Unsicherheit eine Sicherheit: Der internationale, der transnationale Terrorismus ist und bleibt eine globale Herausforderung.

1 Bundesministerium der Verteidigung (2016): Weißbuch 2016 – Zur Sicherheitspolitik und zur Zukunft der Bundeswehr. Berlin, S.34.
2 Middle East and North Africa (Naher Osten und Nord­afrika).
3 Steingart, Gabor (2016): Weltbeben – Leben im Zeitalter der Überforderung. München, S. 75.