Editorial
Paris, Brüssel, Istanbul, Nizza, Berlin, Barcelona, London – immer dichter wird das Netz von Terroranschlägen in Europa: „Die Bilderfetzen überblenden einander und verschmelzen in der medialen Wahrnehmung zu einem riesigen Phantasma, zum Phantasma allgegenwärtiger Gewalt.“ Fast zwei Jahrzehnte nach dem Doppelanschlag auf das World Trade Center scheint das psychologische Kalkül der Terroristen aufzugehen: „Die Angst vor Anschlägen haust in den Köpfen, kriecht durch die Vorstellungen und kommandiert die Erwartung“, so Thomas Assheuer in der Zeit vom 28. Juli 2016.
Das Gefühl der Angst, in der sich die Gefahr nicht mehr lokalisieren lässt, ist allgegenwärtig. Nicht die messbare Bedrohung prägt die Auseinandersetzung mit dem Terrorismus, sondern der überall und jederzeit befürchtete Angriff auf Leib und Leben.
Im Kern der ethischen Debatte über angemessene Formen der Terrorbekämpfung steht das Spannungsverhältnis von Freiheit und Sicherheit. Beide Güter gilt es verantwortungsvoll gegeneinander abzuwägen. Aber gerade das Diffuse und Unbestimmte der Gefahr macht Sicherheit anfällig für Instrumentalisierungen. Dem Sicherheitsbedürfnis wird im politischen Ringen um strittige Terrorbekämpfungsmaßnahmen oft oberste Priorität eingeräumt – schließlich, so das häufig vorherrschende Credo des Antiterrorkampfes, ermögliche erst Sicherheit Freiheit.
Wenn aber die Grundvoraussetzungen friedlichen Zusammenlebens durch terroristische Attacken erschüttert werden, weil das Bedürfnis nach staatlich garantierter Sicherheit mit den Freiheitsrechten der Bürger in Konflikt gerät, haben Terroristen eines ihrer Ziele erreicht: die Destabilisierung einer die Menschenrechte achtenden, demokratischen Ordnung, die sich gerade durch die Lebensqualität freier Menschen auszeichnet. Schon jetzt gehören Militärpatrouillen, Reisebeschränkungen und immer weiter verschärfte Überwachung in vielen demokratischen Staaten zum Alltag.
Das Phänomen des Terrorismus betrifft und beeinflusst jeden einzelnen Bürger. Wir alle sind gefordert, auf unterschiedlichsten Ebenen mit ihm umzugehen, auf ihn zu reagieren und unsere Position im Spannungsfeld zwischen Freiheit und Sicherheit immer wieder neu zu justieren.
Gleichzeitig ist „Terrorismus“ einer der umstrittensten Begriffe der politischen Sprache. Was genau kennzeichnet terroristisches Handeln? Welcher Mechanismen bedient sich der globale Terrorismus? Worin liegen seine Ursachen und worin die Gründe, dass – trotz deklaratorischer Einigkeit – sich die internationale Kooperation gegen den Terrorismus so schwierig gestaltet?
Die Autoren dieser Ausgabe von „Ethik und Militär“ beleuchten diese Fragen aus unterschiedlichsten wissenschaftlichen Perspektiven – theologischen, ethischen, sozial- und politikwissenschaftlichen, völkerrechtlichen und militärischen.
Die Beiträge bieten den Leserinnen und Lesern eine facettenreiche Diskussion des Phänomens Terrorismus, seiner Ursachen und des Umgangs mit ihm.
Ich wünsche Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, eine erkenntnisreiche Lektüre unseres E-Journals.