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Editorial

Ausgabe 2023/01

Resilienz – Aspekte von Krisenkompetenz

Das Titelfoto dieser Ausgabe zeigt einen ukrainischen Soldaten im Schützengraben bei Bachmut. Das Fotografenpaar Kostyantin und Vlada Liberov hat diese und andere erschütternde Aufnahmen vom Ukrainekrieg gemacht. Sie steht sinnbildlich für den Widerstandswillen der Menschen im Land.

Auch hierzulande ergibt sich durch den russischen Angriff eine veränderte Bedrohungslage; gerade Soldatinnen und Soldaten müssen sich mit der Möglichkeit einer militärischen oder hybriden Attacke auseinandersetzen. Wir greifen dies auf und diskutieren Aspekte persönlicher und gesellschaftlicher Resilienz.

Nach einer kurzen sicherheitspolitisch orientierten Einführung in den „Containerbegriff“ durch Herfried Münkler arbeitet Kerstin Schlögl-Flierl in ihrem grundlegenden Beitrag die verschiedenen Dimensionen und den transformativen Anspruch heraus. Auf Friedensspiritualität bezogen zeigt sie einen Weg auf, wie Resilienzdenken den Weg aus Routine, Resignation und Passivität weisen könnte. Im Folgenden untersucht Cornelia Richter das Verhältnis von Religion, Spiritualität und Resilienz. Sie versteht Letztere als Krisenphänomen, das sich einem statischen, präventiven „fit for fight“-Verständnis entzieht, und beleuchtet die Bedeutung der Kernthemen des christlichen Glaubens für das Erleben und Durchleiden von Ambivalenz und Destruktivität. Craig Steven Titus nähert sich dem Phänomen Resilienz, indem er verschiedene komplementäre Dimensionen von Tugend herausstellt – und wie sie die Kraft verleihen können, sich für andere einzusetzen und extreme Widrigkeiten zu verarbeiten.

Der Artikel von André Schülke und Alexander Filipović befasst sich mit der nachhaltigen Immunisierung gegen die zersetzende Wirkung allgegenwärtiger Desinformation. Sie legen dabei Wert auf eine tragfähige Bildungsgrundlage. Schließlich werfen Eva van Baarle und Peter Olsthoorn einen kritischen Blick auf militärische Programme zur Resilienzförderung und betonen die Notwendigkeit moralischer Sensibilisierung und Urteilsfähigkeit für das Aufgabenspektrum heutiger Streitkräfte.

Daran anschließend nimmt das Special besondere Herausforderungen für Soldatinnen und Soldaten in den Blick. Mit dem Diplom-Psychologen Dr. Ulrich Wesemann vom Psychotraumazentrum am Bundeswehrkrankenhaus in Berlin habe ich über Einsatzbelastungen und die Grenzen „psychischer Fitness“ gesprochen. Zudem stellen Peggy Puhl-Regler, Alexandra Hoff-Ressel und Peter Wendl vom Zentrum für Ehe und Familie in der Gesellschaft (ZFG) ausführlich dar, wie sich Soldatenfamilien den (durch die „Zeitenwende“ verschärften) Bedingungen ihres Berufs stellen können.

Welche Kämpfe damit verbunden sind, mit einer schweren Beeinträchtigung zurechtzukommen, wird bei den Invictus Games sichtbar. Die Spiele für psychisch oder körperlich versehrte Soldatinnen und Soldaten finden im September 2023 erstmals in Deutschland statt. Aus diesem Anlass stellen wir Ihnen Fregattenkapitän Björn Baggesen vor, der im vergangenen Jahr bei den Invictus Games in Den Haag am Start war. Wie es dazu kam, was er und seine Frau Grit dort erlebt und mitgenommen haben und welche Rolle Sport für die Genesung spielen kann, erzählt das bebilderte Porträt „Ich möchte Vorbild sein“ zum Abschluss dieser Ausgabe.

Dass es sinnvoll ist, sich für das eigene Leben, den Beruf und die damit verbundenen Herausforderungen zu stärken, leuchtet gerade im Militär unmittelbar ein. Doch Resilienz sollte nicht als unbedingter Anspruch, unbeschadet aus allem hervorzugehen, missverstanden werden. „Sich die Verletzlichkeit von Leib und Seele grundlegend bewusst zu machen, ist wichtiger Bestandteil des Menschen- und Soldatenbilds und hat daher seinen Platz im Curriculum des Lebenskundlichen Unterrichts“, schreibt das Team des ZFG in seinem Beitrag. Diese Ausgabe von Ethik und Militär möchte Impulse zu einer differenzierten Auseinandersetzung geben. Wie immer gilt allen, die dazu beigetragen haben, unser herzlicher Dank.

Rüdiger Frank

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Rüdiger Frank

Redakteur


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